«Dieser Zug ist abgefahren!»

Posted on May 25th, 2011, May 25th, 2011 in Fernsehen.

Roger Köppel, bekannt als scharfer Hund auf der rechten Seite des journalistischen Spektrums, kam nach Basel und liess sich die Zähne ziehen. Letzten Sonntag partizipierte er an der wöchentlichen Diskussionssendung «Salon Bâle» des Lokalfern­sehens Telebasel. Dazu war er eingeladen worden, weil er sich nach Fukushima furchtbar enerviert hatte über die «kollektive Kernschmelze der Vernunft» von Politikern. Bei Talkgast Guy Morin lief Köppel mit dieser Kritik ins Leere: «Als einziger Behördenvertreter», schmunzelte der basel-städtische Regierungs­präsident, «demonstrierte ich heute von Amtes wegen.» Dabei blickte er verliebt auf den «Atomkraft? – Nein Danke!»-Protestknopf an seiner Brust: «Wir haben hier einen Verfassungsauftrag, uns gegen AKW zu wehren.» Köppel gestand Morin zu, dass er aufgrund demokratischer Entscheide nicht anders handeln konnte. Der Journalist attestierte dem Grünen überdies, den Atomausstieg nicht erst seit gestern zu planen. Morin legte nach: «Wir reduzieren in Basel-Stadt – im Gegensatz zur Schweiz – den Stromverbrauch bei gleichzeitig höchstem Wirtschaftswachstum.»

So musste der «Weltwoche»-Chef sein Glück bei Sabine Pegoraro versuchen. Die freisinnige Baselbieter Polizeidirektorin hatte weniger Grund zur Coolness: Ihrer Partei warf Köppel «wahnsinnigen Opportunismus» vor. «Nüchtern betrachtet» hätten in Fukushima nur ein paar Dieselgeneratoren versagt. Und schon würde die FDP «im Affekt» jämmerlich kippen. In Morins Windschatten überzeugte Pegoraro den Zürcher Hardliner von der historischen Notwendigkeit des Atomausstiegs: «Wir könnten eine Wette abschliessen, Herr Köppel, wie es aussehen wird in zehn Jahren. Ich glaube, die nächste Abstimmung über die Verlängerung einer AKW-Betriebsbewilligung wird klar negativ herauskommen. Dieser Zug ist abgefahren!» Mit Sonnenstrom aus dem Süden und Windenergie aus dem Norden könne die Schweiz gut leben. Autarkie sei ohnehin nicht möglich.

Mit seinem breitesten Lächeln zog sich ein sichtlich entwaffneter Köppel aus der Affäre: «Die guten Sachen setzen sich immer durch», schloss er, und: «Man muss aber auf die Schwachstellen der Argumentation hinweisen.» Darin waren sich alle einig. Dies war keine gewöhnliche Diskussion, sondern die überzeugende Rückkehr von Basler Inhalten in die nationale Politik. Die Tauglichkeit von Lösungsansätzen der Nordwestschweiz für zentrale Herausforderungen wie die Energie- und Klima­zukunft der Schweiz wird in diesen Tagen in politischen Gremien, auf Podien und in unzähligen Sendungen unter Beweis gestellt. Damit stehen die Chancen gut, dass es profilierten Köpfen aus der Region– wie schon in den 70er- und 80er-Jahren – wieder gelingt, die eidgenössische Agenda mit zu prägen.