Die wahren Asozialen

Posted on June 30th, 2011, June 30th, 2011 in Uncategorized.

Hanspeter Gass, freisinniger Basler Polizeidirektor, könnte von seiner Landschäftler Partei- und Amtskollegin Sabine Pegoraro einiges lernen. Schade, dass sie jetzt von der Sicherheits- in die Bau- und Umweltdirektion wechselt. In Basel herrscht auf der Strasse zunehmend Anarchie. Wer sich werktags, vor allem vormittags, zum Beispiel durch die Innenstadt bewegt, dem geht unweigerlich der oft skandierte Spruch der 80er Jugendbewegung durch den Kopf: «Bullen sind Nullen.» Mit dem Unterschied, dass sich die Jugendlichen damals die Polizei weg wünschten, wir uns aber heute über Polizeiversagen beklagen müssen.

Ein Asozialer unter täglich Hunderten: Am Mittwoch von 8-12 an bester Lage gratis parkiert. Kein Wunder, sind die Parkhäuser leer.

Die Situation gerät ausser Kontrolle: Es sind nicht nur die Trams, die das Zentrum Basels blockieren, wie letzte Woche an dieser Stelle beschrieben. Ebenso zahlreich und gefährlich sind die privaten Karossen, welche sich zwischen legalen An- und Auslieferungsfahrzeugen ducken, stundenlang die Trottoirs okkupieren und damit wesentlich zum Chaos beitragen.

Neuerdings wird nicht mehr nur der Münsterplatz, sondern sogar der Marktplatz wieder als Parkplatz missbraucht, ganz zu schweigen von zahlreichen Nischen in Nebengassen, zum Beispiel am Münster- und Schlüsselberg, auf dem Rümelinsplatz, in der Bäumleingasse oder beim Tinguely-Brunnen, direkt vor der Kunsthalle. Überall stehen sie zu Dutzenden herum.

Derweil herrscht im Elisabethen- und Steinenparking oft gähnende Leere. Dem Kanton entgehen sowohl die Einnahmen in diesen und weiteren (staatseigenen) Parkhäusern als auch die Bussen, weil kaum kontrolliert wird. Die Gewerbetreibenden, die tatsächlich etwas umladen müssen, stehen im Stau, während sich Fussgänger und Velofahrerinnen mit Sack und Pack, Kinderwagen und Anhänger, zwischen Abgasen, Lärm und stehendem Blech durchschlängeln.

Dasselbe Bild zur gleichen Zeit im Zentrum Kleinbasels.

Die Falschfahrer und -parkierer sind die wahren Asozialen. Ihre Bequemlichkeit geht auf Kosten der Allgemeinheit, obwohl sie sich das Parking locker leisten könnten. Und die Polizei ist entweder überfordert (zu wenig Personal) oder schaut weg. Dabei könnten zusätzliche Verkehrsdienstangestellte ihren Lohn mit einem Bruchteil des brachliegenden Bussen-Potenzials decken.

Wann reagieren Hanspeter Gass und der Grosse Rat? Sie müssen bloss auf Sabine Pegoraro hören. Wie ein Vermächtnis der abtretenden Polizeichefin tönte es, als sie letzte Woche auf Telebasel das neue, härtere Regime des Baselbiets gegen Verkehrssünder begründete: «Es geht nicht um alle Autofahrer. Wenn sich jemand an die Regeln hält, dann hat er nichts zu befürchten. Wir sind einfach weniger tolerant bei den Bussen als bisher.»

Freie Plätze für freie Menschen

Posted on June 22nd, 2011, June 22nd, 2011 in Uncategorized.

Ulrich Weidmann ist Professor für Verkehrssysteme an der ETH Zürich und hat kürzlich in seiner Heimatstadt Aufsehen erregt, als er vorschlug, im Zentrum alle Tramlinien in den Untergrund zu verlegen. 10 Kilometer Tunnel für etwa 2,5 Milliarden Franken möchte er graben. Damit sollen auf Plätzen und Strassen neue Freiräume für Fussgänger entstehen.

Damit die alte Liebe zum Tram nicht rostet: Ade «grüne Wand» in der Innenstadt. (Foto: Dominik Madörin, Ettingen)

Relativiert wird des guten Herrn Weidmanns
Idee durch seine eigene Einschätzung der Planungs- und Bauzeiten: Er rechnet mit einer Vorbereitungsphase bis 2026 und der Vollendung des Mammut-Projekts gegen die Mitte des Jahrhunderts.

Kommentar der Architekturzeitschrift «Hochparterre»: «Ob sich Stadt und Kanton Zürich und auch der Bund ein solches Projekt leisten können, ist eine politische Frage. (Lehrstück in Klammern: Bundessubventionen für ein lokales Verkehrsprojekt setzen andere als selbstverständlich voraus.)

Im Übrigen stimmt «Hochparterre» Weidmann zu: Der öffentliche Verkehr werde in Zürich ohne Entlastung «den Stadtraum immer mehr dominieren». Für Basel gilt das schon lange, vor allem zwischen Theater und Schifflände. Doch am Rheinknie wäre die Lösung nicht erst in 40, sondern schon in vier Jahren zu haben, zu höchstens einem Zehntel der Kosten:

Als das «Drämmli» noch klein und harmlos war: Basler Marktplatz mit Strassenbahn um 1910 (Postkarte Sammlung H.Ziegler).

Der erste Schritt ist der Bau eines Tramgeleises durch den Petersgraben. Diese Trasse von vielleicht 400 Metern gab es früher schon mal. Alle Linien, die heute zwischen Barfi und Schifflände verkehren, könnten beim Theater oder am Steinenberg (vor dem Casino) halten. Dann würden sie den Kohlenberg hoch fahren und durch den Petersgraben zum Totentanz beziehungsweise zur Schifflände gelangen, mit Zwischenhalten, welche die Grossbasler Innenstadt erschliessen.

Der zweite Schritt ist der Bau des Trams vom Bahnhof SBB über den Heuwaage-Viadukt, weiter via Petersgraben und über die Johanniterbrücke zum Badischen Bahnhof, wie es eine Volksinitiative verlangt. Dies entlastet einige verstopfte Linien und bedient das Kleinbasel mit einer Schnellverbindung.

Der Doppelschritt befreit Strassen und Plätze für Menschen: Von einem Tag auf den anderen wäre die oft beschimpfte «grüne Wand» in der Grossbasler Innenstadt Geschichte. Dazu kämen vier attraktive Plätze an zentraler Lage für einen Kostenbruchteil der Zürcher Utopie: Frisch erstrahlten Barfi und Marktplatz. Und Auferstehung feierten der Rüdenplatz (bei der alten Post) sowie der heute zerstückelte Fischmarkt. Schnell ginge das überdies, und auch daran hätte Ulrich Weidmann seine helle Freude.

Das Herzstück der Regio S-Bahn mit der unterirdischen Station Marktplatz/Schifflände würde dieses System später komplettieren. Und gegen einen kurzen, langsamen Shopper-Shuttle auf alten Geleisen zwischen Barfi und Schifflände hätte auch niemand etwas einzuwenden.

Basel, werde erwachsen!

Posted on June 15th, 2011, June 15th, 2011 in Uncategorized.

Sabine Horvath, Chefin des Basler Stadtmarketings, wird sich an Pfingsten, beim Durchblättern der NZZ am Sonntag, schwer genervt haben. In einer «Liebeserklärung an das Santihans» (Deutsch: St. Johann-Quartier) des Heimwehbaslers Markus Städeli, bekommt Horvath schon im zweiten Abschnitt wie ein dummes Schulmädchen eins an die Ohren: «Wieso um Himmels willen vermarktet sich die attraktive Stadt am Dreiländereck so grottenschlecht?» Und dann folgt, wie üblich, das Speichellecken: «Bei meinen Besuchen am Rheinknie wird mir oft warm ums Herz.»

«Wieso um Himmels willen vermarktet sich die attraktive Stadt am Dreiländereck so grottenschlecht?»

Am gleichen Wochenende zitierte «Das Magazin» (welches auch der BaZ beiliegt) die Zürcher Modeschöpferin Sara Vidas mit der Aussage: «Seit ich vor einem Jahr die Ausbildung am Institut für Mode-Design in Basel abschloss und wegzog, vermisse ich diese warme, kleine Stadt am Rhein.»

Was fällt auf? «Warm» ist die angesagte Eigenschaft Basels. Diese Wärme steht offenbar im Gegensatz zur Kälte, die andernorts herrschen muss. Was macht ein solcher Vergleich mit uns? Zunächst einmal: Er ruft Zustimmung hervor, vielleicht sind wir sogar ein wenig geschmeichelt. Oder gar berührt und dankbar. Da wir nicht die Grössten und Erfolgreichsten sein dürfen, so wenigstens die Wärmsten. Denn, so urteilt Städeli weiter, Basel «stagniert und verwaltet scheinbar nur noch das Erreichte». Immerhin nur «scheinbar» – vielen Dank!

Wenn sich Zürcher Medien jährlich zur «Art» mit unserer Stadt befassen, macht sich stets eine gewisse Herablassung breit, genauer gesagt: eine wohlwollende Herablassung, weil die Autoren vom Thema eigentlich nicht viel verstehen. Ihr Ton ist ähnlich distanziert wie in Reportagen über leicht verschrobene Emmentaler Bräuche oder über das hilflose aber ernsthafte Streben Griechenlands nach einem ausgeglichenen Staatshaushalt.

Der verbale Sirup, der jeweils zwischen den Zeilen heraustropft (auch in Griechenland ist es warm; die Emmentaler sind liebe Menschen), macht das Ganze nicht besser. Aber richtig schlimm ist der Basler Reflex, fremde Schmeicheleien wie Labsal aufzusaugen. Und dabei die Kritik zu übersehen, selbst wenn sie in Verachtung umschlägt: Laut Städeli «bereitet man sich in der Stadt am Rhein rund ums Jahr auf die nächste Fasnacht vor», anstatt, wie in Zürich, neue «Geschäftsmodelle, Gastrokonzepte und Modetrends» auszuprobieren.

Ist wohl alles nur ironisch gemeint. «Alle Gastrokonzepte vorweisen, bitte!» Pfeifen wir auf solche «Liebeserklärungen»! Definieren wir unsere eigenen Ziele. Gerne stellen wir uns Vergleichen. Aber wir bestimmen in Zukunft selbst, mit wem und nach welchen Kriterien wir uns messen. Das Ende des Geschmeicheltseins ist der Anfang des selbstkritischen, weltoffenen Bewusstseins. Basel, werde erwachsen!

Hütet Euch vor Städte-Rankings!

Posted on June 9th, 2011, June 9th, 2011 in Uncategorized.

Urs Welten, Präsident der Laden-Lobby «Pro Innerstadt», hat es noch gar nicht realisiert: Basel ist zwar, gemäss dem jüngsten Städte-Rating der Wirtschaftszeitschrift «Bilanz», bei allen Beurteilungskriterien schlechter platziert als das führende Zürich, nicht jedoch in einem Punkt: der Einkaufsinfrastruktur. Hätten Sie das geahnt? Auch andere ignorieren bisher diese gute Botschaft der «Manager-Annabelle»: Zum Beispiel die Luxusausstatterin Trudie Götz, die in Basel nur zwei «Trois Pommes»-Boutiquen betreibt, in Zürich aber mindestens deren sechs. In dieselbe ignorante Klasse gehören alle mehrbesseren Baslerinnen und Basler, die samstags ihre Platin-Kreditkarte an die Limmat tragen, um Kleider, Kunst und Klunker zu posten. Warum schweifen sie in die Ferne, wenn das Gute doch so nahe liegt?

Trois Pommes-Filiale in der Freien Strasse (Foto: Tino Briner)

Oder ist es am Ende umgekehrt? Hat die in Erlenbach wohnhafte Baslerin Götz recht, die seit Jahrzehnten den Markt kennt und repräsentiert, und irrt hier die «Bilanz»? Nun, die Zeitschrift kann sich hinter der Immobilienagentur Wüest & Partner verstecken, welche das Städte-Ranking verantwortet. Wüest & Partner ist in der Welt der Hütten und Paläste, was Claude Longchamps Polit-Orakel «gfs.bern» für Wahlen und Abstimmungen bedeutet: Das Mass aller Dinge. Aber wie «gfs.bern» bei der Minarett-Initiative kann auch Wüest & Partner voll danebenliegen – wie etwa bei dieser urbanen Hitparade. Wie immer bei solchen Listen sind die Beurteilungsraster ausschlaggebend für das Resultat. Städte bloss durch die Brille des Immo-Hais zu betrachten, führt zu so absurden Resultaten wie der Überlegenheit Basels als Shopping-Metropole.

Als Mekka für Konsum-Fetischisten – noch eine Länge vor Basel – zeichnet Wüest & Partner Spreitenbach aus. Also je mehr Spreitenbach, desto besser die Rangierung. So misst man heute Lebensqualität. Spreitenbach? – Nein danke! Städte sind mehr als eine Ansammlung von Häusern und Strassen, Läden, Renditen und Steuern, mehr als die Summe von Angeboten und Infrastruktur: Die Kriterien von Wüest & Partner sind von der gierigen Stadt geprägt, die sich langfristig selbst zerstört, weil jeder Winkel am Umsatz gemessen wird, der sich damit generieren lässt. Platz 9 ist wohl der beste in einem solchen Wettbewerb, der zum Beispiel um so mehr Punkte verteilt, je krasser eine Stadt wächst. Ein gemässigtes Wachstum, das weniger soziale Spannungen und geringere Umweltzerstörung nach sich zieht, ist jedoch einem Wachstumschaos vorzuziehen, wie es andere erleiden. Und doch ist der Platz 9 auch nicht so weit hinten, dass an der Prosperität Basels gezweifelt werden muss. Hütet Euch beim Ranking! Die Seele einer Stadt lässt sich mit solchen Statistiken nicht erfassen.