Art Summer in the City

Posted on July 28th, 2011, July 28th, 2011 in Uncategorized.

Annette Schönholzer und Marc Spiegler, Direktorin und Direktor der Art Basel, sind jetzt wohl in den Ferien. Denn ihre hiesige Show ist vorbei und ihre nächste, die Art Basel Miami Beach, noch Monate entfernt. Die letzten Reste der Kunstmesse sind zusammengekehrt und die leeren Hallen dösen im Sommerschlaf. Eine knappe Woche hat das Spektakel gedauert, das Basel in eine temporäre Weltstadt verwandelte.

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey mit Art-Direktor Marc Spiegler (rechts, mit rotem Notizbuch) und Art-Direktorin Annette Schönholzer (links, ganz in weiss) sowie weitere Prominenz an der Eröffnung der Art Unlimited 2011: Documenta-Qualität für bloss sechs Tage.

Und nun? Die schöne, ruhige Zeit ist angebrochen, sagen manche. Nächste Woche soll auch die Hitze zurückkehren, die uns in der Rheinebene flimmernde Nachmittage beschert und zuweilen schwer in den Strassen lastet. Kultur ist dünn gesät. Das Tattoo ist nicht jedermanns Sache und das Stimmen Festival kaum abendfüllend.

Wie wäre es mit einer aktuellen, hochkarätigen, jeden Sommer neuen Kunstausstellung? Teuer käme Basel ein solcher globaler Anziehungspunkt nicht zu stehen: Es würde reichen, die spektakuläre Art Unlimited (inklusive ihrer Kunstwerke im öffentlichen Raum) stehen zu lassen und über den Sommer zu bewachen, zu versichern, zu bewerben und vielleicht mit einer kleinen, gescheiten Veranstaltungsreihe zu ergänzen.

Dies würde nicht bloss die Hoteliers freuen, sondern auch für Daheimgebliebene eine Lücke füllen, die wir alle empfinden: Das Loch nach der Art. Darüber hinaus – und vielleicht in erster Linie – könnte der Basler Kunstsommer Ausgangspunkt für neue Veranstaltungs-Formate und eine inhaltlich innovative Stadtentwicklung sein.

Anderswo gibt es in der heissen Jahreszeit erfolgreiche Theaterspektakel, Sommernachtsfeste, Sommerfestspiele, Openairs, Skulpturen in Parks, Filmfestivals, Biennalen und vieles mehr. Neben Erbauung und Unterhaltung zählen dabei vor allem die Wertschöpfung und der Imagegewinn.

Harry Szeemann war der künstlerische Direktor der Kasseler Documenta 5 von 1972. Sie ist heute noch legendär für ihre Symbiose von Kunst und Öffentlichkeit.

Ein gescheit kuratierter Kunstsommer, wie ihn Basel durch die Verlängerung der Art Unlimited zu bieten hätte, würde weiter reichen. In Zusammenarbeit mit den vertretenen Galerien könnten die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden, inhaltliche Beiträge zur Stadt (im Speziellen oder Allgemeinen) zu erarbeiten und diese in Diskussionen und Aktionen mit dem Publikum zu vertiefen.

Damit würde die Art für Basel viel mehr leisten, als nur kurzfristiger Marktplatz und Geschäftsanlass zu sein. Und die Kunstschaffenden bekämen ein Forum, das vielleicht am ehesten mit der Kasseler Documenta 5 von 1972 (und der Documenta 6 von 1977) vergleichbar ist. Künstler und Kuratoren wie Joseph Beuys, Harald Szeemann und Jean Christophe Ammann drückten damals diesen Anlässen ihren Stempel auf. Ein konzeptionelles Motto, zum Beispiel „Die Kunst und die Stadt“, liesse sich vielfach variieren und weckte das Interesse weit über die enge, mondäne und in letzter Zeit allzu kommerzielle Art-Familie hinaus.

Die Krake des Nullerjahre-Wohnstils

Posted on July 21st, 2011, July 21st, 2011 in Uncategorized.

Roger Diener ist ein erfolgreicher, gescheiter und erst noch gut aussehender Architekt. Solche gibt es einige. Doch hat er darüber hinaus eine Eigenschaft, die manchem abgeht: Er ist selbstkritisch. Das bewies er kürzlich erneut, mit einem Vortrag beim ETH Wohnforum in Zürich. Dort prangerte der Basler nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst an, uniforme, anonyme und letztlich unbewohnbare Wohnungen zu bauen – bloss weil heutige Bauherren diese so bestellen.

Die schein-heimeligen Holzfassaden des Siegerprojekts für die Überbauung des alten Kinderspitalareals am sonnigen Kleinbasler Rheinufer garantieren noch keine Wohnlichkeit. Die Konzepte des letzten Jahrzehnts haben ausgedient - der Weg in die Zukunft führt über neue Bescheidenheit, sagt Architekt Roger Diener.

Ausgehend vom Wohnzimmer, das stets riesig sein muss, mit Cheminée und grossen Fenstern bis zum Boden, beschrieb er den Nullerjahre-Allerweltsstil gehobener Neubauten. Als unpraktisch und überinstrumentiert denunzierte er die heutigen Badezimmer, die sich – mit der frei stehenden Badewanne – als Teil des Schlafzimmers inszenieren. Solche Wohnungen könne man praktisch nur mit Designer-Möbeln bestücken, doch letztlich blieben sie seelenlos.

Basel bekommt neue Stadtteile. Dagegen gibt es Proteste von Familiengärtnern. Die Jugend sieht sich um ihre Freiräume betrogen. Die leider verunglückte Besetzung des alten Kinderspitals war ebenfalls eine Geste gegen das Neue, das dort entsteht. Nun sucht Immobilien Basel-Stadt für die Überbauung einen Investor. Dieser sollte Roger Diener gut zuhören.

Denn auch dem Kinderspital-Areal droht modernistische Gesichts- und Gemütlosigkeit, trotz äusserlich heimeliger Holzbau-Architektur. Es gibt kaum Diskussionen darüber, welche Qualität Wohnungen wir in den Neubaugebieten wollen oder wie das Zusammenleben in diesen Quartieren aussehen wird. Visionäres, der kommenden Energie- und Raumknappheit Angemessenes, sucht man vergeblich.

Ein schlechtes Beispiel ist das Erlenmatt-Quartier, wo nicht einmal der Minergie-Standard obligatorisch ist. Eine etwas bessere Leistung in dieser Hinsicht erhoffen wir vom Dreispitz. Die Zukunft liegt vielleicht bei Renovationen oder Genossenschaften, wo nicht die Expansion des Privaten, sondern die Konstruktion des Gemeinschaftlichen – ohne Zwang – im Vordergrund stehen könnte. Aber auch hier scheuen manche Bauherren Neues zu wagen, zum Beispiel mit Nullenergie-Häusern oder fantasievoller Aussenraum-Gestaltung.

Es sind Banken, Versicherungen und Pensionskassen, welche die heutige Stadtexpansion finanzieren und damit unseren zukünftigen Lebensstil prägen. Viele ihrer Entscheidungsträger wohnen in Vorstadt-Villen mit Doppelgarage und Pool. Dass ein Haushalt mit einem Wohnzimmer von 25 Quadratmetern ebenso glücklich sein kann wie mit 40 oder 60 Quadratmetern, können sie sich vielleicht gar nicht vorstellen. Deshalb ist selbst Roger Diener gezwungen, Grundrisse zu zeichnen, die rasch veralten. Mehr Weitsicht ist gefragt – wer wagt sie?

Basel-Zürich in 16 Minuten

Posted on July 14th, 2011, July 14th, 2011 in Uncategorized.

SBB-Chef Andreas Meyer überraschte die Schweiz zum Ferienstart mit einer frohen Botschaft: Dank Investitionen im Mittelland soll die Reise von Zürich nach Bern ab 2025 nur noch 45 (statt heute 56) Minuten dauern. Nebenbei würde auch Basel von den Neubaustrecken profitieren. Die Fahrzeit von Zürich ans Rheinknie liesse sich ebenfalls auf 45 (statt bisher 53) Minuten drücken.

Verkehrsfragen sind zu bedeutend, um sie den Verkehrsplanern zu überlassen: Ein Express zwischen Basel und Zürich würde die Schweiz umkrempeln und ihr endlich eine echte Metropole bescheren.

Zwei Mal 45 Minuten Fahrt: Das deutet auf ähnliche Distanzen hin, was aber täuscht. Die Hauptstadt liegt 120 Autobahn-Kilometer von Zürich entfernt, Basel nur 80. Dreisatz für Drittklässler: Wenn die Zugreise von Zürich nach Bern 45 Minuten dauert, müsste die Strecke von Zürich nach Basel in 30 Minuten zu schaffen sein. Und das mit heutiger SBB-Technik. Der neue Zug zwischen Peking und Shanghai braucht für 80 Kilometer jedoch bloss 16 Minuten – dank einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 300 km/h (und Höchstgeschwindigkeit 350). Wenn China das kann, kann das die Schweiz auch. Wenn sie will.

Die Verbindung der beiden grössten Deutschschweizer Städte in weniger als 20 Minuten wäre bedeutend mehr als eine schnelle Bahn. Ein solches Jahrhundertprojekt dürfen wir nicht von Andreas Meyer erwarten. Er hat sich nur um Verkehrsaufgaben zu kümmern. Dieser Zug würde jedoch die ganze Schweiz umkrempeln. Wir hätten eine echte Metropole, wie alle umliegenden Länder (mit Ausnahme Liechtensteins), also ein neues Angebot für alle, die in der Schweiz und zugleich in einer pulsierenden Millionenstadt leben und arbeiten wollen.

Die Zwillinge Basel und Zürich würden gemeinsam auf der gleichen Stufe wie Stuttgart, Wien, Milano und Barcelona agieren, nicht nur scheinbar, wie heute, sondern wirklich. Die Angebote für ihre Bewohner würden auf einen Schlag vervielfacht, etwa auf dem Arbeitsmarkt, kulturell, beim Wohnen oder im Sport. Abends von Basel ins Opernhaus? Kein Problem! Ein Lunch mit Zürchern in der Kunsthalle? Fraglos! Der Weg zu den Flughäfen Kloten und Mulhouse – ein Katzensprung für alle!

Es gibt drei Gründe, weshalb diese völlig realistischen Pläne noch nie ernsthaft diskutiert wurden: Erstens wegen der ewigen Gifteleien zwischen Zürich und Basel. Zweitens, weil die SBB nur Verkehrsplanung machen, während eine Vision für die Schweiz, mit einem weiteren Themenhorizont, praktisch nicht existiert. Und drittens, weil sich Basel bis vor kurzem zu wenig darum gekümmert hat, statt bloss Endstation der SBB ein Knotenpunkt im Europäischen Eisenbahnnetz zu sein.

Inzwischen ist das Verkehrskreuz erwacht. Die internationalen Bahnen werden ausgebaut, etwa die Rheinschiene und der TGV (selbst Richtung Südfrankreich). Die Schweiz muss aufpassen, dass sie 5,7 Milliarden Franken nicht ins Leere investiert, indem sie einseitig auf die national bedeutsame West-Ost-Achse setzt. Denn der Weg nach Berlin, Frankfurt, Brüssel, Paris und London führt nur selten via Bern.

Verkehrte Welt in Stadt und Land

Posted on July 7th, 2011, July 7th, 2011 in Uncategorized.

Hans-Rudolf Gysins Uhr als Politiker ist abgelaufen, sein wichtigstes Projekt gescheitert: Der Direktor der Wirtschaftskammer Baselland war von der Mission beseelt, die Überlegenheit des Modells «Baselbiet» gegenüber dem Modell «Basel» nachzuweisen.

Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten: Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber offen.

Bei jeder Gelegenheit polterte der abtretende freisinnige Nationalrat gegen den «aufgeblähten Staatsapparat» in der Stadt und die daraus resultierende, angebliche «Steuerhölle». Gegen Lastenausgleichs-Vorlagen führte er ins Feld, der Stadtkanton solle «zuerst seine Hausaufgaben machen». Diese Redeweise nahmen sogar besonnene Stadtpolitiker wie Peter Malama zeitweise auf.

Noch vor kurzem sandten Oberbaselbieter Gemeindepräsidenten gut gemeinte Spar-Rezepte ans rote Rathaus am Rhein. Heute hat sich das Spiel gedreht: Die vor Gesundheit strotzenden städtischen Bilanzen lassen Liestaler Politiker vor Neid erblassen.

In den Reihen der Regierungsparteien Basels macht sich über diese unerwartet rasche Wendung verhaltener Hohn breit. Solche Reaktionen sind psychologisch zwar verständlich, nach allem, was der Stadtkanton bis in die jüngste Vergangenheit an Spott hat über sich ergehen lassen müssen. Das Herumstochern in Wunden ist jedoch weder nützlich noch klug. Im Angesicht der ländlichen Misere wäre Besonnenheit der bessere Ratgeber.

Finanzpolitik ist der Schlüssel für beide Halbkantone, um die kommenden Jahrzehnte in gegenseitiger Zuneigung zu gestalten. Solidarität der Stadt, ohne Herablassung praktiziert, würde jetzt den Weg bereiten für ein gemeinsames, modernes Staatswesen. Dessen Effizienz könnte für die ganze Schweiz Vorbild sein – und das schneller als viele denken.

Mit einem Beitrag von beispielsweise 50 Millionen Franken pro Jahr in den nächsten drei Jahren an den leidenden Schwesterkanton – sei es als zinsloser Kredit oder als Geschenk – könnte Basel-Stadt Baselland aushelfen, ohne die eigenen Finanzen zu gefährden. Es geht nicht darum, sich die Sympathie der Baselbieter zu erkaufen, sondern um gelebte Solidarität zwischen Nachbarn, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind.

Wären Basel-Stadt und Baselland ein Kanton, würde genau diese Solidarität automatisch spielen und das ländliche Bildungswesen müsste nicht um seine Qualität bangen. Alle Lehrerinnen und Lehrer, deren Stelle jetzt bedroht ist, blieben im Amt. Denn der Stand Basel ist finanziell stabil.

Nur der Tatbeweis, eine ausgestreckte Hand, kann den Graben überwinden, der die Wiedervereinigung verunmöglicht. Um unserer Region neue Dynamik zu verleihen, brauchen wir dieses gemeinsame Projekt, ein produktives, politisches Ziel. Der Anstoss könnte heute von Basel kommen. Das Zeitfenster ist vielleicht kurz, aber weit offen.