Den Kunstmarkt wachküssen

Posted on October 27th, 2011, October 27th, 2011 in Uncategorized.

Ernst Beyeler dominierte über Jahrzehnte die Basler Galerienszene. Um ihn kamen Sammlerinnen und Sammler der klassischen Moderne – Einzelne, Firmen und Museen – kaum herum. Die «Fondation» in Riehen ist beredte Zeugin dieser Zeit. Sie wird uns hoffentlich noch lange mit so erstaunlichen Ausstellungen wie der laufenden Schau über Wurzeln, Wirken und Werke des Surrealismus beglücken.

Seit die Galerie Beyeler geschlossen ist, gibt es in Basel keine Kunsthandlung mit globaler Ausstrahlung mehr. Wir leben von der gloriosen Vergangenheit. Basel als Kunststadt ist in erster Linie eine Museumsstadt und einmal im Jahr eine Art-Stadt. Was fehlt, ist der permanente Umsatz. Denn für ihre Entwicklung braucht die Kunst den Markt. Dieser sichert nicht nur Existenzen. Er urteilt auch und ist dadurch Ansporn, gestrenger Richter und Erneuerer in Einem.

Seit dem Tod von Galerist Ernst Beyeler (Foto), hat es der Basler Kunsthandel schwer. Dabei wäre ein schlauer Kommerz das Lebenselixier der bildenden Kunst. Für eine Revitalisierung der Galerien-Szene braucht es nicht viel. Bild: Kurt Wyss

Wenn Basel seine Kreativwirtschaft pflegen will, darf die Stadt keine Kunsthandels-Wüste (mit einzelnen Oasen) sein. Kunst und Kommerz sind siamesische Zwillinge. Gemeinsam bringen sie Ideen, Initiativen und Innovation voran.

Es ist ja nicht so, dass es in Basel keine bildenden Künstlerinnen und Künstler gäbe. Im Gegenteil, ihre Zahl ist eindrücklich und die staatliche sowie private Förderung anständig. Der Basler Kunst-Zug fährt jedoch – auf sicheren Geleisen – nach Nirgendwo. Im besten Fall kommt er in Berlin, Zürich oder Rotterdam an.

Eine vitale Galerienszene wäre das heute noch fehlende Anschlusswerk für aktuelle Kunst. Die Kunststadt Basel existiert in Silos: Hier die Spitzenmuseen, die sich Mühe geben – dort die Galerien, die dasselbe tun. Weshalb nicht zusammen spannen? Gehören Weltliga-Bilder, die keinen Platz finden in aktuellen Museums-Ausstellungen nicht ab und zu als temporäre Leihgaben in Galerien?

Erhellendes, Unbekanntes, das in den Katakomben von Kunstmuseum, Kunsthalle, Fondation Beyeler oder gar eines lokalen «Global Player» vor sich hin döst, könnte Galerien für ein überregionales Publikum attraktiv gestalten helfen. Damit würden sie ihr aktuelles Angebot visuell kommentieren. Zum Beispiel: Ein junger Basler Künstler konfrontiert mit Braque. Die Braques wären natürlich nicht zu verkaufen, der junge Künstler hätte aber mehr Aufmerksamkeit, das Publikum mehr Anregung und grösseres Interesse.

Dies ist eine Aufgabe für die Kulturabteilung des Präsidialdepartementes. Sie könnte als Patin den Basler Kunstmarkt mit den staatseigenen Beständen wachküssen helfen. Mit der Zeit liefe alles von selbst: Galerien als kleine Museen. Ernst Beyeler konnte dieses Konzept aus eigenen Beständen realisieren. Heute braucht es dafür Kooperationen.

Ode an Nichtwählende

Posted on October 20th, 2011, October 20th, 2011 in Uncategorized.

Nichtwählerin, Nichtwähler, gestatte, dass ich Dich duze. Nicht, weil wir eng befreundet wären und auch nicht, weil jetzt eine Moralpredigt von Vater zu Tochter oder Sohn folgt. Sondern weil Du mir nahe stehst. Nahe und doch so fern.

Wenn man’s richtig bedenkt, ist es verwunderlich, dass rund die Hälfte des Stimmvolks an der bevorstehenden Wahl teilnimmt. Denn die Wahlverweigerer sind keinesfalls dümmer oder fauler, vielleicht sogar schlauer.

Nahe stehst Du mir, weil ich mit Dir einig bin: Es kommt nicht darauf an, ob ich wählen gehe oder nicht. In meinen 40 Jahren als Stimmbürger habe ich noch nie erlebt, dass es einen Unterschied gemacht hätte. Wenn ich stimmen ging, hatte ich keinen Einfluss auf das Ergebnis. Wenn ich einen Urnengang verpasste, krähte kein Hahn danach. Selbst beim knappsten Resultat, das ich je in Basel erlebte, gaben mehr als 50 Stimmen Unterschied den Ausschlag.

Fern stehst Du mir, weil ich mein Stimm- und Wahlrecht fast immer ausübe. Meistens fülle ich die Zettel am gleichen Tag aus, an dem sie kommen. Und dann ab die Post, ohne Stress zum nächsten Briefkasten. Heute ist der letzte Tag, an dem dies noch möglich ist für die Parlamentswahl 2012.

Es ist mir selbst unerklärlich, weshalb ich das tue, immer wieder. Mein Verhalten ist komplett irrational. Es ändert ja nichts. Es sieht’s ja keiner. Ich kann mich sogar als Wähler ausgeben, ohne einer zu sein. Was treibt mich denn dazu, mein Aktivbürgertum nicht nur zu behaupten, sondern tatsächlich auch zu leben? Und viele andere auch?

Wenn man’s richtig bedenkt, ist es verwunderlich, dass rund die Hälfte des Stimmvolks an der Wahl teilnimmt. Verständlich ist hingegen, dass so viele wahlabstinent sind. Die Wahlverweigerer sind keinesfalls dümmer oder fauler, vielleicht sogar schlauer. Sie verlassen sich auf die andere Hälfte der Berechtigten: Ginge diese auch nicht hin, wäre keine Wahl mehr möglich. Dann lebten wir in einer Diktatur.

Wählen zu gehen, ist also ein Akt der Solidarität. Nicht mit dem Staat und auch nicht mit den bedauernswerten Kandidierenden, sondern mit allen, die nicht wählen gehen. Ich tue es für Dich, liebe Nichtwählerin, lieber Nichtwähler! Und erwarte auch Deinen Dank. Aber bleibe ruhig zuhause, so hat meine Stimme mehr Gewicht. Ich treffe die Wahl zwischen neoliberal und sozial, zwischen national und multikulturell, zwischen reaktionär, konservativ und aufgeklärt, zwischen konstruktiv und destruktiv, melonen- und gurkengrün. Ich gebe die Richtung vor!

Ich? Es kommt doch nicht darauf an. Meine Stimme gibt nie den Ausschlag. Es ist mein Mitgefühl, das mich an die Urne treibt. Niemand soll in einer Diktatur leben müssen, auch Nichtwählende nicht. Bleibe ruhig zuhause, meine Freundin, mein Freund, sonst verliere ich die Motivation, das Stimmcouvert einzuwerfen. Wehe, Du wählst jetzt noch! Dann hätte ich es eben so gut lassen können.

Poller sind toller

Posted on October 13th, 2011, October 13th, 2011 in Uncategorized.

Bleibt die Basler Innenstadt Einsatzschwerpunkt für Parkplatz-Politessen? Oder gibt es billigere, einfachere Lösungen, um sie für Fussgänger frei zu halten? Die Antwort haben andere Zentren (Foto: Milano-Brera) längst gefunden.

Hans-Peter Wessels steht als Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements Basel-Stadt vor einem wichtigen Entscheid: Bleibt die Altstadt Einsatzschwerpunkt für Parkplatz-Politessen? Oder gibt es billigere, einfachere Lösungen, um unbefugte motorisierte Besucher daran zu hindern, beispielsweise den wunderbaren, neuen Münsterplatz zu verschandeln? Die Antwort haben andere Zentren – ob gross oder klein – längst gefunden: Versenkbare Poller.

Bergamo hat Poller.

Milano hat Poller.

Turin hat Poller.

Bern und Zürich schützen ihre Altstädte mit Pollern.

Brig hat Poller, ja, das autoverrückte Brig hat zahlreiche Poller!

Locarno hat übrigens ebenfalls Poller.

Und Ascona hat Poller.

Sils (!) hat Poller.

Siena hat Poller.

New York hat Poller (und will noch viel mehr davon).

London hat Poller (bewegliche und andere).

Berlin hat Poller.

Kopenhagen hat Poller.

Moskau hat Poller.

Warschau hat Poller.

Tokyo hat Poller.

Seoul hat Poller.

Alle diese Städte haben versenkbare Strassen-Poller, die von Berechtigten fernbedient ein- und ausgefahren werden können, um zu passieren. Nur Basel diskutiert. Die Menschen sind hier gleich wie überall. Ihr Verkehrsverhalten ist gleich wie überall. Weshalb auf bewährte Lösungen verzichten? So anders ticken wir auch wieder nicht.

«Dreilandi 2025» die nächste Expo

Posted on October 6th, 2011, October 6th, 2011 in Uncategorized.

Bischof Heinrich von Thun, der damalige Stadtregent, fällte um 1225 den wohl folgenreichsten Investitionsentscheid in der Geschichte Basels: Er liess die Mittlere Rheinbrücke errichten. Seither verbindet dieses Bauwerk nicht nur Gross- und Kleinbasel. Es steht auch sinnbildlich für eine weltoffene, auf friedlichen Handel und Wandel erpichte Polis. Die Integration von Menschen und Ideen aus allen Himmelsrichtungen, die Innovation als wirtschaftliche Triebfeder und die Pflege politischer Stabilität prägen seit dem Brückenschlag das Entwicklungsmodell Basels.

Basel und die Region brauchen ein gemeinsames Projekt, um sich zu finden, aber auch, um sich auf die Landkarte zu setzen – zum Beispiel eine Expo 2025 zum 800-jährigen Jubiläum des Brückenschlags über den Rhein.

Dieses Entwicklungsmodell könnte die nächste Landesausstellung inspirieren, denn es ist für die Schweiz im 21. Jahrhundert wegweisend. Am Vorabend des 2. Weltkriegs war es Zürichs Fluidum, die Besinnung auf eigene Stärken, die 1939 der nationalen Nabelschau ihren Stempel aufdrückte. Die Expo Lausanne 1964 markierte den Aufbruch der Schweiz in eine technikgläubige Wohlstandsgesellschaft.

Anfangs dieses Jahrhunderts, an der Expo 2002, war angesichts mannigfaltiger sozialer und ökologischer Krisen Nachhaltigkeit die Lösung. Diese wurde seltsamerweise so verstanden: Am Ende musste die ganze Landschaft um Neuenburg, Murten, Biel und Yverdon wieder in den alten Zustand zurückversetzt werden – als ob nichts geschehen wäre.

Die heutige Schweiz hat grösste Mühe mit der notwendigen Öffnung für Europa und die Welt. Sie hat Angst, unterzugehen, ihre Identität zu verlieren. Der Beitritt zur EU ist dabei eher eine Nebenfrage. Wichtig ist die tatsächliche Kooperation mit Partnern in der Nachbarschaft und in Übersee, wie sie die Wirtschaft zwar praktiziert, der durchschnittliche Bürger aber gerne ignoriert. Unter dem Motto «Weltoffene Schweiz» könnte Basel 2025 – zum 800-jährigen Jubiläum der Rheinbrücke – die Schweiz und die Welt zur nächsten «Landi» einladen. Gemeinsam mit den Nachbarn würde sogar eine «Dreilandi» draus.

2025 werden die Werke der Internationalen Bauausstellung (IBA) zu besichtigen sein, welche ab November 2011 auf den Weg gebracht werden. Möglicherweise ist Basel dann auch «Kulturhauptstadt Europas». Und hoffentlich lebt es mit dem Baselbiet in Eintracht (ob fusioniert oder nicht).

Basel und die Region brauchen ein gemeinsames Projekt, um sich zu finden, aber auch um sich auf die Landkarte zu setzen, für die Schweiz und für Europa. Ein solches Projekt mit bedeutender Aussenwirkung trüge viel effektiver und langfristiger zur Geltung Basels bei, als es Lobbying-Stellen in Bern oder PR-Auftritte in Deutschen Städten tun. Die Schweiz, die Welt zu Gast in Basel – ein konstruktiver Plan für die nächste parlamentarische Legislatur.