Sex and the Fasnacht

Posted on February 23rd, 2012, February 23rd, 2012 in Uncategorized.

Guy Morin eröffnete am Dienstag im Kongresszentrum die «Global Energy Basel». Diese weltweit führende Konferenz für nachhaltige Infrastruktur-Finanzierung brachte 300 Fachleute aus 40 Städten und 30 Ländern nach Basel. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie eine energieeffiziente Zukunft mit deutlich reduzierten Klimagas-Emissionen finanziert werden kann. Neben harter Arbeit am Thema, ist ein solches Treffen immer auch eine gute Gelegenheit, um sich in Pausen oder bei Essen über Sitten und Gebräuche in anderen Weltgegenden auszutauschen.

Das letzte Tabu im sonst vorwärts und rückwärts analysierten, grössten Volksbrauch Basels ist die erotische Seite der Fasnacht. Man könnte den Eindruck gewinnen, die «drei seenschte Dääg» kämen ohne die «schönste Nebensache der Welt» aus. (Bild: keystone)

So kam das Gespräch auf die bevorstehende Fasnacht. «Die Fitnesszentren in Basel müssen überfüllt sein», bemerkte eine Abgeordnete des Karibikstaates Trinidad-Tobago. Dieser Einwurf löste grosses Gelächter aus. In Trinidad-Tobago wie auch in Brasilien und anderen Ländern dieser Region ist die Hauptattraktion der Fasnacht, möglichst viel Haut zu zeigen und zu sehen. Die Erotik, inspiriert von Musik und Tanz, steht im Mittelpunkt. Knutschende Paare gehören zum Bild wie in Basel Laternen und Räppli. Wenig erstaunlich, dass die Menschen in den Wochen vor dem grossen Fest überflüssige Pfunde weghungern und ihren Körper auf Kraftstationen stählen.

Ganz anders in Basel: Hier zeigt man an der Fasnacht so wenig Haut wie möglich. Sogar weniger als im Alltag. Niemand geht vorher ins Fitnesscenter. Erotisch aufgeladene Sprüche sind zwar möglich, aber eher selten. Kostüme mit sexuellen Anspielungen finden sich hauptsächlich auf Waggis-Wagen. Derbes und Anzügliche ist in Basel eher eine Randerscheinung, vor allem auch im Vergleich mit der expliziten Freizügigkeit der Fasnacht in der Ostschweiz oder am katholischen Unterrhein.

«Sex und die Fasnacht» ist wohl das letzte Tabu im sonst vorwärts und rückwärts analysierten, grössten Volksbrauch Basels. «S glemmt», das Motto der Fasnacht 2012, gilt vielleicht nicht für alle Reisverschlüsse, aber kaum jemand spricht darüber. Man könnte den Eindruck gewinnen, die «drei scheenschte Dääg» kämen ohne die «schönste Nebensache der Welt» aus. Die erotische Fasnacht lebt, vor allem nach Mitternacht und mit ein paar Gläsern Wein oder Bier als Nachhilfe, aber wir haben noch nie ein solches Bild in der Zeitung gesehen. Von Rio, aber auch von Will (SG) gibt es diese Reportagen Jahr für Jahr.

Für die Basler Fasnacht werden nicht alle Regeln ausser Kraft gesetzt, wie anderswo, sondern neue Regeln kommen hinzu. Die Fasnachtsregeln. Diskretion, symbolisiert durch die «Larve», ist der Fasnacht Lebenselixier. Das «Über die Schnur hauen» wird nicht propagiert, sondern gelebt, kultiviert – und verschwiegen. Manchmal braucht es einen internationalen Kongress, um sich das in Erinnerung zu rufen.

Lobbying als Polit-Manöver

Posted on February 16th, 2012, February 16th, 2012 in Uncategorized.

Sebastian Frehner will mit seiner neuen «Parlamentarischen Gruppe Region Basel» Nordwestschweizer Anliegen unter der Bundeshauskuppel besser vermarkten. Der Basler SVP-Nationalrat versammelt dafür nicht etwa alle Abgeordneten des Einzugsgebiets unter einem Dach, sondern nur ein paar seiner politischen Freunde. Begründung: Die «wirtschaftliche Ausrichtung» der Gruppe entspreche einem traditionell bürgerlichen Anliegen.

In Bundesbern setzt sich nicht durch, wer das grösste Megaphon hat oder die nobelsten Mittagessen veranstaltet, sondern wem es gelingt, innovative Lösungen in einem hervorragenden Netzwerk zu platzieren. Weshalb die neue Lobby-Gruppe von Nationalrat Sebastian Frehner das Gegenteil erreicht. (Bild von Keystone)

Dieser Standpunkt ist aus Basler Sicht unverständlich. Die Spitzen der tonangebenden Basler Unternehmen werden nicht müde zu betonen, wie zufrieden sie mit der Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung sind. Dieser ist es gelungen, alte bürgerliche Kernanliegen zu verwirklichen: Sie hat die Steuern gesenkt, die Pensionskasse einvernehmlich saniert, das Baubewilligungs-Verfahren beschleunigt, Investitionen planerisch angestossen und Schulden abgebaut. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind besser als sie unter bürgerlichen Regierungen jemals waren. Es bleibt sein eigenes Geheimnis, weshalb Frehner Wirtschaftskompetenz vorwiegend den Bürgerlichen zuschreibt.

Frehners Polit-Manöver ist genau so schleierhaft, wie es dumm wäre, wenn sich rot-grüne Abgeordnete einseitig zum Sprachrohr für Sozial- oder Umwelt-Anliegen der Region Basel ernennen würden. Denn es gibt weit und breit kein Bürgertum, das offener ist für gesellschaftliche oder ökologische Ideen als in Basel.

Wenn die Nordwestschweiz in Bern einen Mehrwert bieten kann, dann gerade bei der Integration sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ziele. Das wäre ein authentischer Standpunkt, der beachtet würde, wenn ihn alle Parteien der Region gemeinsam trügen.

Die Kunst des Lobbyings ist es, die eigenen Interessen mit jenen der anderen zu verschmelzen. Frehners Schnellschuss geht hingegen von der Strategie aus, die Nordwestschweiz müsse in erster Linie lauter auftreten. In Bern setzt sich aber nicht durch, wer das grösste Megaphon hat oder die nobelsten Mittagessen veranstaltet, sondern wem es gelingt, innovative Lösungen in einem hervorragenden Netzwerk zu platzieren. Dazu gehört übrigens nicht nur die Bearbeitung des Parlaments, sondern auch der Verwaltung auf allen Ebenen.

Es ist ein Geben und ein Nehmen, es geht um wechselnde Allianzen, aber erstaunlich oft auch einfach um gute Argumente. In vielen Fällen bleiben die Urheber einer Idee im Hintergrund, gelegentlich treten sie aber auch auf und werden als Persönlichkeiten mit Ausstrahlung und Einfluss erkannt und anerkannt.

Das alles berücksichtigt Frehners Ansatz nicht, der die Nordwestschweiz eher weiter isoliert als intelligent ans System Bundesbern anschliesst. Ob die Lobbying-Stelle, die das Präsidialdepartement Basel-Stadt daselbst plant, eine bessere Alternative darstellt, ist zur Zeit noch offen.

Zeit für Adler

Posted on February 9th, 2012, February 9th, 2012 in Uncategorized.

Marcel Schweizer und Peter Malama sei Dank. Mit ihrer «Parkplatz-Initiative» hat das Führungsduo an der Spitze des Basler Gewerbeverbandes alles klar gemacht. Die Ablehnung mit einer Mehrheit von fast zwei Dritteln der Stimmen legt – zusammen mit drei weiteren Urnengängen der letzten 24 Monate – eine solide Basis für die Verkehrspolitik des Kantons. Jetzt ist die Zeit gekommen, von den Niederungen der Tagespolitik aufzusteigen und die ganze Region sowie einen längeren Zeithorizont ins Auge zu fassen.

Jedes Unternehmen braucht eine Vision, jedes Gemeinwesen ein Leitbild. Unsere Vorstellungen der zukünftigen Mobilität prägen die Realität, wie sie die nächste Generation antreffen wird. Der Basler Regierungsrat muss regional eine Führungsrolle übernehmen.

Es ist die Mobilität von Menschen, Ideen, Daten, Energie und Gütern, die eine Region zusammen hält. Der Adlerblick über die Stadt Basel mit 900 000 Einwohnern in drei Ländern, vier Kantonen und einer Vielzahl von Landkreisen, Distrikten und Gemeinden zeigt: Die Stadt ist weit davon entfernt, klug und weitsichtig verbunden zu sein. Es klaffen Lücken, weil sich kaum jemand zuständig fühlt, integrierend zu denken. Obwohl es zu diesem Zweck viele Gremien gibt. Auf diese zu warten, bringt aber wenig.

Mit vier Volksentscheiden im Rücken, ist der Basler Regierungsrat verpflichtet und legitimiert, die Initiative zu ergreifen. Dies wird von ihm auch rundum erwartet. Denn Basel kann die verkehrspolitischen Aufträge der Wählerschaft aus rein städtischer Optik heraus gar nicht erfüllen. Es braucht dafür überlegte, übergeordnete und zugleich mutige Visionen. Daher ist es auch Zeit, das Wort «Visionen» zu rehabilitieren. Zu Unrecht kam es in Verruf, nach dem Motto: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.»

Jedes Unternehmen braucht eine Vision, jedes Gemeinwesen ein Leitbild. Unsere Vorstellungen der zukünftigen Mobilität prägen die Realität, wie sie die nächste Generation antreffen wird. Es lohnt sich, hier zu investieren.

Nur auf diesem Weg sehen wir, dass zum Beispiel eine direkte Verbindung vom Bahnhof SBB über den Flughafen in Richtung Freiburg im Breisgau (mit einer neuen Rheinbrücke auf der Höhe des Kraftwerks Kembs) Sinn macht und die Reisezeiten auf der Nord-Süd-Strecke deutlich verkürzt. Nur so erschliesst sich die Dringlichkeit des S-Bahn-Herzstücks unter der Basler Innenstadt. Aus der Froschperspektive des Marktplatzes leuchtet dieses Projekt kaum ein.

Ein neuer Hafen rechtfertigt sich nur im weiteren Kontext. Die Vernetzung der Energiesysteme oder von Datenleitungen ist zwar weniger sichtbar, aber ebenso dringend wie produktiv. Basel an der Schnittstelle von drei Ländern hat hier ein grosses Potenzial.

Solche Chancen werden aber nur greifbar, wenn sich der Kanton Basel-Stadt zwei Dinge zutraut: Erstens eine Führungsrolle zu übernehmen und zweitens eine Vision fürs grosse Ganze zu entwickeln. Dass diese anschliessend in einem offenen und intensiven Dialog mit den Nachbarn geschärft, überarbeitet und in eine verbindliche Form gebracht werden muss, versteht sich von selbst.

Bio versus Öko

Posted on February 2nd, 2012, February 2nd, 2012 in Uncategorized.

Cordula, die mich manchmal am Biostand auf dem Marktplatz bedient, packte zähneklappernd meine Gemüse ein und wünschte mir einen schönen Tag. In der dunklen Jahreszeit erinnert mich der Basler Markt an den winterlichen Roten Platz: Es weht ein Hauch von Moskau über dem eisigen Pflaster, und das Rathaus thront darüber, als wäre es ein kleiner Kreml. Nur noch vereinzelte Stände bieten der scharfen Bise die Stirn wie die obersten Bonsai-Tannen an der Baumgrenze.

Es ist mitten im Winter, und die Dame verlangt Ratatouille! Ausgerechnet am Biostand! Was haben in dieser Jahreszeit Tomaten, Auberginen und Zucchini auf dem ausgedünnten Markt zu suchen? Lustvoll essen ist anders.

Cordula fragte in die wartende Runde: «Wer ist als Nächster dran?» Neben mir räuspert sich eine gut eingepackte Dame mit adretter Wollmütze: «Ich hätte gern alles für Ratatouille!» Verdutzt bleibe ich stehen. Neben Zwiebeln und Knoblauch postet sie Auberginen, Peperoni in allen Farben, Tomaten, Zucchini, Chilischoten. Alles da.

Es ist mitten im Winter, und die Dame verlangt Ratatouille! Ausgerechnet am Biostand! Was haben daselbst Tomaten, Auberginen und Zucchini zu suchen? Wer Bio einkauft, tut dies der Umwelt zuliebe. Februar-Tomaten aus Marokko oder Südspanien schaden jedoch der Umwelt. Bio hin oder her. Aus ökologischer Sicht habe ich im Winter lieber einen lokalen Lauch aus chemischer Produktion, als einen Bio-Brokkoli aus Sizilien. Der Brokkoli wächst jetzt in beheizten Treibhäusern und wird über hunderte Kilometer im Lastwagen hergekarrt. Bio hin oder her.

Fragt man am Biostand nach, weshalb jetzt Sommergemüse im Angebot sind, dann wird eher mürrisch auf die Kunden-Nachfrage verwiesen. Dasselbe Lied beim Grossverteiler: Es muss immer alles verfügbar sein, auch im Biosortiment. Wer hat als erster den Mut, sich wenigstens beim Bio-Angebot auf Saisonales zu konzentrieren? Keine weit gereiste Importware mehr, dafür mehr verschiedene Rübli, winterharte Salate, Randen und Kohlarten anzubieten? Mit leckeren Rezepten und Aktions-Ständen?

Es geht nicht nur um die Umwelt. Die Saison auf dem Teller bringt auch mehr Freude. Freude auf die ersten Spargeln aus dem Elsass, Freude an reifen, schmackhaften Erdbeeren zur richtigen Zeit. Mehr Bewusstsein dafür, wie die Landwirtschaft, wie die Natur funktionieren – gerade in Haushalten mit Kindern. Mehr kulinarische Abwechslung sogar: Denn es braucht etwas Phantasie, um mit Sellerie und Rotkraut, Marroni und Gelben Rüben, Wirsing und Pastinaken ein tolles Menu zu komponieren.

Gelegentliche Abstecher in die Welt der Zitrusfrüchte oder eine kleine Umweltsünde wegen einem verlockenden Rezept gehören mit einem Augenzwinkern dazu. Dass die freundliche Dame ein sommerliches Kontrastprogramm auf ihren Teller zaubern wollte, ist bei den heutigen Temperaturen gut nachvollziehbar, aber alles andere als ökologisch.

Saisonal essen bedeutet die Jahreszeiten zu erleben statt sich nur zu ernähren. Im Winter fahren wir Ski, im Sommer baden wir im Fluss. Wenn wir uns nicht auch beim Essen lustvoll nach dem Wetter richten: Wozu soll sonst die verdammte Kälte gut sein?