Lenkung à la Bâloise

Posted on August 30th, 2012, August 30th, 2012 in Uncategorized.

Ein Aufschrei ging am letzten Wochenende durch die Schweiz. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf lancierte den neuen Benzinpreis von fünf Franken pro Liter. Damit illustrierte die Finanzministerin, wie eine ernsthafte ökologische Lenkung des Energieverbrauchs aussehen könnte. Sie war dabei so schockierend ehrlich, dass der zweite Satz ihrer Botschaft beinahe ungehört verhallte: Der vorgeschlagene Benzinpreis-Zuschlag wird gleichmässig pro Kopf an die Bevölkerung zurückerstattet. Zum Beispiel über die Verbilligung der Krankenkassenprämien.

Es waren bürgerliche Mehrheiten, die im Kanton Basel-Stadt die seit 1998 erfolgreiche ökologische Lenkungsgebühr auf Strom einführten. Rätselhaft ist, weshalb die Schweizer Rechte den Vorschlag von Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf ablehnt, einen ähnlichen Zuschlag auf Benzin zu erheben. (Bild: Keystone)

Schwer zu verstehen ist, weshalb die bürgerlichen Parteien nicht begeistert zustimmten. Denn die Vorlage von Frau Widmer-Schlumpf erfüllt alle Bedingungen der Rechten: Die Lenkungsabgabe ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das strikt staatsquotenneutral wirkt. Dank der Rückerstattung fliesst kein zusätzlicher Rappen in die Bundeskasse. Es handelt sich also nicht um eine Steuer (und damit auch nicht um eine Steuerreform).

Überdies fördert der Zuschlag die Kostenwahrheit: Der neue Benzinpreis deckt Schäden des Spritverbrauchs, die bisher die Allgemeinheit trug. Zum Beispiel die Kosten der Klimaerwärmung oder der Luftverschmutzung. Widmer-Schlumpf setzt damit das Verursacherprinzip durch. Sie erlässt weder eine neue Vorschrift noch ein Verbot, das die individuelle Freiheit beschneidet. Die Wahlmöglichkeit – etwa zwischen Auto und Bahn – bleibt gewährleistet.

Jetzt kommt das grosse Aber von links: Wenn der Benzinpreis bei fünf Franken liegt, können sich nur noch Reiche das Auto leisten. Diese scheinbare Ungerechtigkeit wird jedoch aufgewogen durch die gleichmässige Rückverteilung der Einkünfte aus der ökologischen Lenkungsabgabe an die Bevölkerung. Eine vierköpfige Familie erhält rund 3200 Franken pro Jahr zurück. Für ärmere Haushalte ist das viel. Ihr Einkommen wächst damit um mehrere Prozente. Bei Vermögenden fällt derselbe Betrag kaum ins Gewicht. Und Reiche verbrauchen auch mehr Energie. Somit legen sie auch mehr Geld in den Topf.

Es waren bürgerliche Mehrheiten, die im Kanton Basel-Stadt die ökologische Lenkungsgebühr auf Strom einführten. Diese funktioniert seit 1998 einwandfrei. Der bürokratische Aufwand ist nachweislich gering. Die Rückerstattung an die Bevölkerung ist ein willkommener Zustupf für alle, die Energie sparen. Die Unternehmen profitieren über die Verbilligung der AHV-Kosten von zehn Prozent des Arbeitgeberbeitrags. Damit fördert die Abgabe den Werkplatz Basel. Auch die Lenkungswirkung ist da: Im Gegensatz zur übrigen Schweiz sinkt der Stromverbrauch in Basel-Stadt. Dies trotz erhöhter Wirtschaftsleistung und wachsender Bevölkerung.

Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf – übernehmen Sie!

Das U-Abo entfesseln

Posted on August 23rd, 2012, August 23rd, 2012 in Uncategorized.

Basel ist stolz darauf, das U-Abo erfunden zu haben: Der günstige Einheitstarif für das gesamte regionale ÖV-Angebot ist eine Frucht der Umweltbewegung. Die Autoabgase (damals noch ohne Katalysator) gefährdeten in den 80er-Jahren die Gesundheit der Wälder. Also mussten griffige Lösungen her, um das Umsteigen auf den Öffentlichen Verkehr zu fördern. Was als politische Notfallübung begann, entpuppte sich als kommerzieller Geniestreich.

Der an sich sympathische Einheitstarif des U-Abos lähmt die Ausdehnung des Einzugsge-biets. Mit leicht angepassten Abo-Kosten kämen auch Aarau, Olten, aber auch das Elsass und Südbaden in den Genuss der genialen Erfindung. (Bild: Keystone)

Andere Regionen kopierten das U-Abo unter ganz verschiedenen Namen und entwickelten die Idee weiter. In den meisten Einzugsgebieten gilt: Wer täglich weiter fährt, bezahlt mehr. Das Einheits-Abo des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW) ist heute eine Ausnahme. Das ist zwar sozial und auch sympathisch, weil praktisch, blockiert aber die Entwicklung.

Im Tarifverbund Ostwind beispielsweise, können Berufstätige eine Stunde von Rapperswil nach St. Gallen pendeln. Ostwind knöpft ihren Kunden auf dieser Strecke 200 Franken pro Monat ab. Mit demselben Ausweis können sie dann die ganze Region zwischen Frauenfeld im Norden und Bad Ragaz im Süden bereisen. Das U-Abo des TNW deckt nicht einmal die 30 Minuten von Olten oder Aarau nach Basel ab.

Die Ostschweizer Preise würde ich nicht zur Nachahmung empfehlen, doch erweist sich der heutige TNW als ein zu enges Kleid für das wachsende Einzugsgebiet Basels. Gegen Änderungen setzt sich ein Verbund von sozial und ökologisch Motivierten ein. Sie verhindern, dass sich das U-Abo den neuen Gegebenheiten anpasst: Zum Beispiel für Elsässer oder Lörracher Autopendler zu einer attraktiven Alternative wird. Es ist kaum denkbar, dass die 73 Franken reichen, um auch deren Mobilitätsbedürfnisse zu finanzieren.

Darunter leidet auch die Entwicklung Basels. Denn die Grenzen der Tarifverbünde haben sich auch als Grenzen des Wirkungsfeldes von Zentren etabliert – mindestens in den Köpfen der Menschen.

Eine nach Zonen differenzierte Tarifstruktur für die Monats- und Jahreskarten würde eine buchstäbliche Entfesselung des U-Abos ermöglichen. Entscheidend für die Akzeptanz differenzierter Abo-Kosten wäre die gleichzeitige Überwindung heutiger Beengung. Also der Sprung des TNW-Einzugsgebiets über den Jurakamm und vor allem über die Landesgrenzen nach Frankreich und Deutschland.

Basel-Stadt, Baselland, Solothurn nördlich des Jura und der Bezirk Rheinfelden könnten weiterhin eine einheitliche Kernzone bilden, zu Kosten von 73 Franken. Der tiefe Preis diente als Basis, um den angrenzenden Bezirken attraktive Angebote zu machen. Zum Beispiel 100 Franken pro Monat für den heutigen TNW, inklusive Olten/Aarau oder inklusive St.Louis/Lörrach. Vielleicht 120 Franken für die Ausdehnung bis nach Kandern, Sierentz und Baden (AG). Und 140 Franken inklusive die Kantone Jura und Solothurn sowie bis nach Biel.

Föderation vor Fusion

Posted on August 16th, 2012, August 16th, 2012 in Uncategorized.

Die Unsicherheit über die politische Zukunft der Region überschattet seit Langem die Partnerschaft beider Basel. Es ist der Verdienst der soeben lancierten Fusions-Initiativen, dass sie in dieser Frage Volksabstimmungen anstreben und Klarheit schaffen wollen.

Die Fusion beider Basel ist kurzfristig kaum realisierbar. Viel zeitgemässer wäre eine Föderation, die von Pratteln aus (hier im Bild von Markus Dalcher) gemeinsame Geschäfte führte: Ein wegweisendes Modell für die ganze Schweiz.

Aber sind die Fusions-Initiativen auch zeitgemäss? Zweifel sind angebracht, speziell mit Blick auf das ökonomisch motivierte Ziel einer gesamtschweizerischen Gebietsreform. Diese läuft mittelfristig auf die Bildung von rund sieben Grosskantonen hinaus. Einer davon wäre der Kanton Nordwestschweiz.

Das Baselbiet ist der erste und bisher einzige Kanton, der sich einen Bezirk eines anderen Standes durch Übertritt einverleiben konnte. Der Wechsel des Laufentals von Bern zu Baselland verlief, nachdem der Entscheid vor 20 Jahren gefällt war, verhältnismässig geschmeidig. Diese Erfahrung ist wertvoll für die Zukunft. Der neue Kanton Nordwestschweiz könnte sich genau auf diesem Weg bilden.

Der erste Schritt wäre, dass die beiden Basel eine Föderation innerhalb der Eidgenossenschaft bilden. Ihren Status als Kantone würden sie beibehalten, jedoch eine zentrale Behörde mit Sitz in Pratteln gründen, welche durch ein gemeinsames Parlament kontrolliert würde. Alle Geschäfte, welche die Kantone einvernehmlich an die Föderation delegierten, würden in Zukunft dort entschieden: Etwa das Bildungswesen, der Öffentliche Verkehr, die Gesundheit, die Polizei. Also vor allem Geschäftsbereiche, die schon heute eine enge Zusammenarbeit kennen.

Selbstverständlich würden nur jene Zuständigkeiten – Schritt für Schritt – an die Föderation abgegeben, bei denen Kosteneinsparungen zu erwarten wären. Die zusätzliche, gemeinsame staatliche Ebene hätte also keine emotionale Komponente, sondern würde nur dazu dienen, die Staatsausgaben tief zu halten und Mittel des Bundes sowie von Privaten effizienter zu mobilisieren.

Besonders reizvoll an diesem System wäre, dass angrenzende Gebiete wie beispielsweise das Fricktal, an den Tätigkeiten der Föderation teilhaben könnten, ohne gleich den Kanton zu wechseln. Der Kanton Aargau müsste bloss die Zuständigkeit und die entsprechenden finanziellen Mittel punktuell an die Nordwestschweizer Föderation abgeben. Und er würde dies tun, wenn er dadurch Geld sparen könnte, ohne die Hoheit über das Fricktal aufgeben zu müssen. Bei den entsprechenden Sachfragen würde sich das Fricktal in der Nordwestschweizer Föderation selbst vertreten.

Dieses dynamische Modell würde bald andernorts kopiert und könnte mit der Zeit zu neuen Konstellationen führen, welche ganz organisch und unverkrampft in eine neue Schweiz der Regionen mündete. Indem Bezirke nach und nach den Wunsch verspürten, die Kantonszugehörigkeit zu ändern – wie das Laufental vor 20 Jahren.

Copy paste ist keine gute Idee

Posted on August 9th, 2012, August 9th, 2012 in Uncategorized.

Das 65. Filmfestival von Locarno erinnert uns einmal mehr daran, dass die Basler Filmförderung seit Jahren nicht vom Fleck kommt. Deshalb spielt der Basler Film am Lago Maggiore auch heuer nur eine kleine Nebenrolle. Dies trotz massiver Präsenz von Swissness. Unter dem Wahrnehmungshorizont der internationalen Szene brodelt allerdings am Rheinknie ein erstaunlich vielfältiges Filmschaffen. Zu behaupten, Basel sei eine Filmstadt, wäre jedoch vermessen.

Am gegenwärtig laufenden 65. Filmfestival von Locarno ist Basel kaum präsent. Dies ist jedoch kein Grund, um die Filmförderung anderer Standorte zu kopieren. Es bietet sich vielmehr die Chance für innovative Ansätze. (Bild: Keystone)

Vielmehr wandern manche audiovisuell talentierte Baslerinnen und Basler nach Zürich, noch öfter nach Berlin oder New York aus, unter anderem weil sie dort bessere Förderbedingungen und Ausbildungsgänge vorzufinden hoffen. Das ist nicht weiter tragisch, denn eine Kulturstadt kann nicht alle Wünsche erfüllen und alle Sparten gleichermassen pflegen.

Umso dringlicher stellt sich die Frage, was die Basler Filmförderung soll. Laut der regionalen Filmwirtschaftsstudie geben die beiden Basel weniger als ein halbes Prozent der gesamtschweizerisch investierten Mittel in diesem Sektor aus. Im Kulturleitbild von Basel-Stadt steht, der Kanton wolle gemeinsam mit Baselland und der Christoph Merian Stiftung «in den nächsten Jahren» ein neues Förder- und Finanzierungsmodell entwickeln. Dieses setzt sich zum Ziel, «vermehrte Mittel für die regionale Filmproduktion einzusetzen».

Regionale Filmförderung geschieht fast überall mit der Absicht, den ortsansässigen Filmschaffenden den Zugang zu anderen staatlichen und privaten Geldern zu erleichtern. Mit Startkapital ist die Chance grösser, dass weitere Co-Produzenten einsteigen. Im Hintergrund hoffen Tourismusindustrie und Standortmarketing, eine ausgewachsene Filmwirtschaft würde ihre Region bekannt machen und vorteilhaft ins Bild setzen.

So wie die Diskussion heute läuft, wird Basel mit verhältnismässig geringen Mitteln das Modell anderer Regionen – zum Beispiel der Zürcher Filmstiftung – kopieren. Innovativer erschiene mir jedoch das Füllen einer kreativen Lücke, die im Fördersystem der Schweiz klafft: Zum Beispiel die Förderung von Schweizer und nicht nur Basler Filmen nach bestimmten, oft vernachlässigten Kriterien. Oder dort einzuspringen, wo anderen, etwa der SRG, der Mut fehlt.

Eine Möglichkeit wäre, Mittel zur Verfügung zu stellen für Autorinnen und Autoren, die experimentell mit Szenarien, aber ohne Drehbuch ans Werk gehen und damit gerade in Locarno schöne Resultate vorweisen können. Oder die Spezialisierung auf dokumentarische Fiktion, also die Mischung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm. Das eigene Gärtchen pflegen alle. Eine besondere Ausstrahlung könnte Basel als ein Ort erreichen, wo neue Förderziele ausprobiert werden, die Kunst über Kommerz stellen und dazu beitragen den filmischen Lokalpatriotismus zu überwinden.

Ein Hochhaus fürs Grossbasel

Posted on August 2nd, 2012, August 2nd, 2012 in Uncategorized.

Die Kontroverse um das geplante Parkhaus beim Kunstmuseum hat eine neue Wendung genommen. Jetzt liegt der Plan auf dem Tisch, 300 Parkfelder unter einem Neubau zu platzieren, den die Swisscanto an der Dufourstrasse 9/11 zu errichten gedenkt. Die Akzeptanz ihres Vorhabens testet die Grundeigentümerin gegenwärtig mit einem «generellen Baubegehren».

Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Jetzt bietet sich dafür – direkt bei der Grossbasler Altstadt – eine perfekte Gelegenheit.

Viel interessanter als die Diskussion der Parkhausfrage erscheint mir der Blick auf die oberirdische Struktur. Swisscanto will das Bürohaus aus den 50er-Jahren durch einen Neubau mit Läden, Büros und 26 Wohnungen ersetzen. Dieser Vorschlag trägt dem besonderen städtebaulichen Potenzial der Lage kaum Rechnung. Es ist ein erklärtes Ziel der Basler Regierung, den Wohnungsbau auf geeigneten Parzellen durch Verdichtung zu fördern. Dies gilt ganz besonders für Orte, die durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen sind und nahe an Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Arbeitsplätzen, Freizeiteinrichtungen und anderen städtischen Infrastrukturen liegen.

Da die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner nur kurze Wege zurücklegen müssen, kann zentrales Wohnen die Verkehrsbelastung deutlich reduzieren helfen. Die Innenstadt lässt sich auf diese Weise beleben, und das lokale Gewerbe gewinnt neue Kundinnen und Kunden.

26 Logis sind daher für die Dufourstrasse 9/11 deutlich zu wenige. Es hätten auf diesem Gelände weit über 100 Wohnungen Platz – in einem vielleicht 50 Meter hohen Turm. Diese Höhe würde es erlauben, auf dem Grundstück trotz Verdichtung Raum frei zu halten für einen lauschigen, öffentlichen Kleinpark zum Museumsneubau hin. Zudem ist es nicht egal, was im Erdgeschoss eines Hauses geschieht, das in unmittelbare Nachbarschaft einer Kunststätte von globalem Rang zu stehen kommt. Beispiele für öffentliche Nutzungen an dieser Stelle wären ein Galerienzentrum, Verkaufslokale für die Kreativwirtschaft oder experimentelle Räume.

Doch zurück zum Hochhaus: Dieses würde einen wünschenswerten Akzent in der Silhouette des Grossbasel setzen. Besonders reizvoll wäre der Dialog des neuen Gebäudes mit den Türmen von Münster und Elisabethenkirche, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, aber auch mit dem 70 Meter aufragenden Lifescience-Forschungszentrum der Universität Basel am anderen Ende der Altstadt, beim Schällemätteli.

Eher früher als später wird auch das Klinikum II des Unispitals ersetzt, dessen Grundstrukturen eine zeitgemässe Renovation kaum mehr zulassen. Auch dieser Neubau wird nicht mehr – wie der heutige – ein klein wenig, sondern deutlich über die Dächer der Altstadt hinausragen. Damit würden neue Orientierungspunkte gesetzt. Und die Turmlandschaft, die gegenwärtig auf der Kleinbasler Rheinseite in den Himmel wächst, erhielte ein ansprechendes Gegenüber.