Basel droht Wohnungsnot

Posted on September 27th, 2012, September 27th, 2012 in Uncategorized.

Es ist Zeit, dass sich der Basler Wahlkampf auf wirklich wichtige Themen besinnt. Letzte Woche war an dieser Stelle von der neuen Einwanderung die Rede. Und von den Chancen, die aus der wachsenden Anziehungskraft unserer Stadt resultieren. Aber es gibt auch Risiken und Nebenwirkungen. Dazu gehört die drohende Wohnungsnot.

Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Sonst droht der Kanton Basel-Stadt zum Stillstand zu kommen. Weshalb ist das kein Wahlkampfthema? (Bild: Margrit Müller)

Diese öffnet der Immobilien-Spekulation Tür und Tor. Sie betrifft deshalb alle. In Zürich können wir beobachten, wie die Mieten wegen Raumknappheit jährlich um mehrere Prozentpunkte steigen. Wohnungssuche ist dort längst zum Kampfsport mutiert. Viele können sich die Stadt nicht mehr leisten. In zynischer Weise profitiert Zürich sogar finanziell davon, weil eine wachsende Zahl Sozialhilfebezüger in günstigere Gemeinden verdrängt werden. Zurück bleibt eine Wohlstands-Wüste.

Zürich hat immerhin noch Landreserven, um zu reagieren. Der dortige Stadtrat plant zehntausende neue Wohnungen. In Basel ist die Situation düster. Die «Kantonale Strategie zur Wohnraumentwicklung» sieht «etwa 4400 neue Wohnungen» in zehn Jahren vor. Je zur Hälfte soll das Ziel auf neu zu bebauenden Flächen und durch Verdichtung in bestehenden Quartieren erreicht werden. Mit anderen Worten: Im Vergleich zu heute ändert sich nichts. Denn es entstehen auch jetzt schon jährlich 400-500 neue Wohneinheiten.

Das ist viel zu wenig, und der Regierungsrat weiss es. Er sieht sich in einer Zwangslage. Der Kompromiss mit den Familiengärtnern lässt scheinbar keinen Raum für zusätzliche Neubaugebiete. Der Wahlkampf verlief bisher so, als ob es dieses Dilemma nicht gäbe. Dabei ist die Lösung der Wohnungsfrage für Basel vital. Nicht nur wegen der drohenden Not, sondern auch um Steuerzahler zu halten. Es geht ums Überleben des Standorts.

Eine Option ist die stärkere Verdichtung im Bestand. Diese ist aber für die Bevölkerung nur dann ein Qualitätsgewinn, wenn in der Umgebung mehr Strassen, Plätze und Höfe begrünt und kinderfreundlich gestaltet werden. Und wenn sich das Angebot des öffentlichen Verkehrs, für Velos und Fussgänger stark verbessert.

Die Beschleunigung und Verdichtung der Dreispitz-Überbauung oder das Projekt «Rheinhattan» rücken so in Reichweite. Gegen diese Entwicklung regt sich natürlich Opposition, wie bei jeder Veränderung. Doch wie stellen sich die Parteien dazu? Welche Strategie schlagen sie vor, um die Anliegen der Opposition zu verstehen und einzubeziehen?

In Basels Norden droht eine neue Polarisierung wie rund um die Familiengärten – und in der Folge der Stillstand. Um der wirtschaftlichen Dynamik gerecht zu werden, braucht es deutlich mutigere Eingriffe der Planung, als Viele wahrhaben wollen. Oder – als Alternative – ein Verzicht auf Entwicklung. Wer was will, sollte sich im Wahlkampf zeigen.

Eine neue Form des Feudalismus

Posted on September 20th, 2012, September 20th, 2012 in Uncategorized.

Die Schweiz ist eine Insel der Seligen inmitten des Sturms, der über Europa fegt. Zusätzlich privilegiert sticht der Kanton Basel-Stadt hervor, dank hoher Lebensqualität und überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum. Wir senken die Steuern, während gleichzeitig die öffentlichen Investitionen boomen.

Über die Hälfte der beruflich tätigen Steuerzahler von Basel-Stadt wird schon in naher Zukunft weder wählen noch stimmen können. Die Einheimischen hingegen, werden den Staat lenken, das Brauchtum pflegen und dafür sorgen, dass Basel Basel bleibt. (Bild: Keystone)

Auch die Löhne sind hierzulande Spitze, selbst unter Berücksichtigung der Lebenskosten. Dies ist die Folge einer Standortpolitik, die sich erfolgreich darauf konzentriert hat, Arbeitsplätze mit stets höherer Wertschöpfung anzusiedeln. Höchste Wertschöpfung findet sich dort, wo pro Stunde am meisten verdient wird. Immer mehr Arbeitsplätze sind in Teppichetagen von Banken und Versicherungen, in der Pharmaforschung, in Beratungsunternehmen sowie allgemein in Hauptquartieren von global tätigen Unternehmen und Organisationen angesiedelt.

Die Suche nach Managern solcher Konzerne ist ein Spiel ohne Grenzen. Ab und zu mag ein Schweizer den globalen Wettbewerb um einen dieser gut dotierten Posten gewinnen, meistens sind es aber hochqualifizierte Ausländer, die in der Folge einwandern. Bereits 2030 wird, laut einer soeben veröffentlichten Studie, im Kanton Zürich jeder zweite Angestellte ohne Schweizer Pass sein.

Noch schneller als den Flächenkanton Zürich trifft diese Entwicklung den Stadtstaat Basel. Denn 18 Monate nach der Einreise wohnen gemäss der zitierten Untersuchung vier von fünf hochqualifizierte Zugewanderte im Zentrum. Somit wird schon in naher Zukunft die Mehrheit der berufstätigen Steuerzahler in Basel-Stadt politisch nichts zu sagen haben.

Während sie aus den Chefetagen der Wirtschaft schrittweise verschwinden, bleiben den gut ausgebildeten Baslern jene Domänen vorbehalten, die sie gestützt auf ihre Herkunft und politischen Rechte ausüben können: Sie werden den Staat lenken, die Verwaltung managen, Gerichte bevölkern und sich der Kultur, den Medien, dem Sport und der Bewahrung des Brauchtums widmen. Dafür zu sorgen, dass Basel Basel bleibt, wird ihre Hauptaufgabe sein.

Damit erlangen die Einheimischen eine ähnliche Stellung wie die Minderheit der Römer in der Spätphase ihres feudalistischen Reiches vor knapp 2000 Jahren. Oder die altägyptischen Dynastien, bevor sie jeweils von ökonomisch stärkeren Kräften weggeputscht wurden.

Für Basel hält die Zürcher Studie immerhin einen Trost bereit: Ausdrücklich lobt sie die hiesige Matura-Quote von 29 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent im Kanton Zürich. Nur mit einer Anpassung an Basler Verhältnisse könnten die Zürcher laut der Untersuchung ein höheres Bildungsniveau erreichen, das es ihnen erlaubt, mit Einwanderern um gute Jobs zu konkurrieren.

Seid einig, einig, einig

Posted on September 13th, 2012, September 13th, 2012 in Uncategorized.

Conradin Cramer, Anwalt, Notar und Hoffnungsträger der Liberalen Partei Basel-Stadt sprach Bahnbrechendes. Das Regionaljournal des Schweizer Radios lädt dieser Tage Basler Parteisprecher zum «Wahlzmorge» ein. Am letzten Freitag waren die Liberalen an der Reihe. Sie schickten Conradin Cramer ans Mikrofon. Als Mitglied des Parlamentsbüros ist der langjährige Riehener Grossrat weder Hinterbänkler noch Anfänger, sondern ein Schwergewicht unter den Bürgerlichen.

„Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton“, sagt nicht etwa ein Linker, sondern der prominente Riehener Liberaldemokrat Conradin Cramer. Wie kommt das?

Zu Beginn des Gesprächs ging es um die Abgrenzung zwischen Liberalen und Freisinnigen, die ja bald nur noch am Rheinknie in zwei getrennten Fraktionen politisieren. Die Differenz liegt gemäss Cramer darin, dass seine Partei «gesellschaftspolitisch liberaler» und «eine Spur wirtschaftsfreundlicher» sei als die FDP.

Der gastgebende Fragesteller Patrick Künzle spielte mit Cramer das Spiel «Sätze vervollständigen». Ein Satzanfang des Journalisten lautete: «Die Steuern für mich als Privatperson sind in Basel…» – und Cramer komplettierte: «… angemessen». Verblüfft hakte Künzle nach: «Man hört sonst immer von den Bürgerlichen sie seien zu hoch?» Cramer insistierte: «Ich bezahle gern die Steuern für das, was ich bekomme in diesem Kanton.» Wichtig sei, «die Rahmenbedingungen stets zu verbessern». Das sass.

Cramers Aussage bedeutet nichts anderes als die Entpolitisierung der Steuerfrage. Sie ist in Basel nicht mehr strittig, sondern ein Thema, bei dem alle einig sind. Von links bis rechts. Natürlich gibt es dadurch keinen Freipass, den staatlichen Geldhahn nach Belieben aufzudrehen. Im Gegenteil: Die vorsichtige Finanzpolitik des Kantons bildet die Basis dieser Einigkeit.

So setzte sich hierzulande die Erkenntnis durch, dass die Steuerbelastung zwar im Standortwettbewerb eine Rolle spielt. Innerhalb des Kantons ist der Anteil des Staatshaushalts an der Wirtschaftsleistung jedoch unerheblich. Eine effiziente öffentliche Hand trägt zum ökonomischen Erfolg bei. Universität und Spitäler etwa, sind Jobmotoren. Die meisten Ausgaben von Kantonen und Gemeinden befruchten die regionale Ökonomie. Der Löwenanteil geht in Form von Löhnen an hier beheimatete Angestellte.

In Basel wird die gebetsmühlenartig wiederholte Aussage des Amerikanische Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney nicht geglaubt, wonach tiefe Steuern für Reiche die Wirtschaft ankurbeln. Denn diese Reichen geben einen grossen Anteil ihres Einkommens ausserhalb der Region aus, für Flugreisen, Ferienhäuser, Aktien oder Yachten. Der Mittelstand und erst recht die Ärmeren setzen ihr Geld jedoch vorwiegend lokal ein, genauso wie der Staat. Handlungsbedarf sehe ich jedoch bei den Pensionsfonds: Diese haben heute nur einen beschränkten Spielraum, um regional zu investieren. Darüber lohnte es sich, im Wahlkampf nachzudenken.

Erdrutschsieg der Linken

Posted on September 6th, 2012, September 6th, 2012 in Uncategorized.

Ginge es nach Markus Somm, diskutierten wir beim Wahlkampfthema öffentliche Sicherheit nicht über Polizei oder Prävention. Es ginge ausschliesslich um unser Menschenbild. Der BaZ-Chef konstruiert in dieser Frage einen ideologischen Krach zwischen Sozialdemokraten und Bürgerlichen (BaZ vom 1. September 2012). Die Linken sähen Straftaten zu Unrecht als Ausdruck gesellschaftlicher Fehlentwicklung. Die Rechten hingegen, würden das Böse effizient eliminieren, indem sie möglichst alle Täter wegsperrten.

Sozialer Ausgleich ist die beste Prävention gegen Kriminalität. Das sehen auch die meisten Bürgerlichen so. Müsste man ein Linker sein, um diese Politik mit zu tragen, käme es bei den Basler Wahlen am 23. September zu einem sozialdemokratischen Erdrutschsieg. Das ist aber kaum zu erwarten. (Bild: Keystone)

Dieser Gegensatz ist gekünstelt. Das Entsetzen über den Holocaust hat seit dem Zweiten Weltkrieg unzählige literarische und wissenschaftliche Recherchen über den Ursprung von Verbrechen ausgelöst. Zwar kennen wir noch nicht alle Details. Aber wir wissen inzwischen viel mehr, als uns Somm weismachen will.

Angst und Aggression, zwei überlebenswichtige Reflexe, wirken bei Straftaten zusammen. Das gilt für Kleinkriminelle und Mörder ebenso wie für geldgierige Banker. Auch die Gene und frühere Erfahrungen entscheiden von Fall zu Fall mit, wie ein Mensch in bestimmten Situationen reagiert. Ausschlaggebend sind jedoch die Gelegenheit, die Diebe macht, und die gesellschaftliche Stellung des Täters.

Zum Glück wuchs Markus Somm in der Schweiz als Sohn eines wohlhabenden Managers auf. Das gab ihm materiell hervorragende Startchancen. Wäre er in ein armes Elternhaus hineingeboren worden, hätte er ein paar zusätzliche Hürden überwinden müssen, um schliesslich ein unbescholtenes, finanziell sorgloses Leben führen zu können. Noch etwas dorniger wäre sein Lebensweg geworden, wenn zur familiären Armut noch ein harter Schicksalsschlag hinzugekommen wäre, zum Beispiel die Flucht aus einem Kriegsgebiet. Aber auch dann hätte der Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär gelingen können.

Denn eine offene, soziale Gesellschaft, die Leistung honoriert, unterstützt diesen Aufstieg. Ob ich Angst und Aggression konstruktiv oder destruktiv einsetze, hängt davon ab, wie mir die Gesellschaft in kritischen Lagen entgegen kommt. Je unüberbrückbarer die sozialen Unterschiede erscheinen, umso höher ist die Zahl der potenziell Unzufriedenen, Verzweifelten und Kriminellen. Das illustrieren Beispiele wie Rio de Janeiro, Süditalien oder Johannesburg.

Daher setzen die Schweiz und Basel in der Vorsorge gegen Verbrechen nicht nur auf Repression, sondern mithin auf persönliche und politische Solidarität. Diese Haltung teilen auch bürgerliche Kreise. Sie haben somit, laut Markus Somm, ein sozialdemokratisches Menschenbild. Würden sie entsprechend wählen, käme es am 23. September zu einem linken Erdrutschsieg. Doch zum Glück ist eine differenzierte Denkweise in diesen Fragen auch mit bürgerlichen Idealen vereinbar. Und so bleibt die Ausgangslage spannend.