Basels hässlichstes Haus

Posted on October 25th, 2012, October 25th, 2012 in Uncategorized.

Postchefin Susanne Ruoff hat ein Problem. Sie besitzt das hässlichste Gebäude Basels. Die Rede ist vom rostroten Riegel, der beim Bahnhof SBB, Richtung Grosspeter und Dreispitz, die Stadtlandschaft verklotzt. Die Dimensionen des eingeklemmten Riesen erschliessen sich nicht auf den ersten Blick. Zwischen Nauen- und Hochstrasse spannt sich der Bürobau über die Geleise, rund 150 Meter breit und 100 Meter tief. Mit einem Grundriss von geschätzten 15 000 Quadratmetern bedeckt er die Fläche von zwei Fussballfeldern.

Grösser als zwei Fussballfelder ist die Fläche, die das rostrote Postgebäude beim Bahnhof SBB belegt. Tausende quälen sich täglich durch die enge Passage, die den Riegel entlang der Geleise durchbohrt. Jetzt stehen Veränderungen an, die neue Chancen bieten.

Wer sich durch die Unterführung quälen muss, die den Bahnhofplatz mit dem neu entstandenen Quartier hinter dem roten Palast verbindet, kennt das beengende Gefühl. Die Düsternis des schmalen und niedrigen Korridors Richtung St. Jakob teilen sich in getrennten Kanälen Fussgänger, Velofahrerinnen und das Tram. Früher war dies eine verlassene Einöde mit Postomat. Heute passieren täglich Tausende den obskuren Gang. Dahinter liegen jetzt Schulen, Arbeitsplätze und eine Tramstation, aber weder Einkaufs- noch Verpflegungsmöglichkeiten. Das zwingt Viele über Mittag zu weiteren Expeditionen durch den Tunnel.

Der Logistik-Knotenpunkt ist zum gordischen Knoten geworden, und die Post muss sich überlegen, wie sie diesen löst. Demnächst zieht das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) mit seiner nationalen Kultur- und Wissenschaftsredaktion sowie dem Regionaljournal in den Postbau. Das neue Medienzentrum wird – von Diener & Diener geplant – 8000 Quadratmeter Nutzfläche belegen. Dieser grosse Umbau könnte auch Anlass sein, um den öffentlichen Raum rund um das Postgebäude und auch dessen übrige Nutzung zu überdenken.

Einige japanische Bahnhöfe beispielsweise, enthalten komplette Warenhäuser. Damit nutzen sie die Passagierströme noch intensiver als die SBB-«Railcity» zugunsten wirtschaftlich gesunder Transportunternehmen. Manche Stationen umfassen spektakuläre öffentliche Räume, in Kyoto beispielsweise eine riesige Treppenanlage, auf der die Menschen Konzerten lauschen. Die Lage am Bahnhof SBB würde sich auch für ein Jugendkulturzentrum eignen, als Alternative zum Sommercasino, dessen Betrieb wegen der lärmempfindlichen Nachbarschaft seit Jahrzehnten eingeschränkt ist.

Das hässlichste Gebäude Basels, das von innen übrigens erstaunliche Qualitäten aufweist und stupende Ausblicke bietet, könnte als weisser Schwan auferstehen, wenn die Post, der Kanton, SRF, weitere Mieter sowie die SBB sich zusammenrauften, um über neue Nutzungen, Öffnungen und Verkehrsführung zu reden. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine abstossende, aber unverwechselbare Hülle durch mutige Entwicklung ihrer Innereien und des Umfelds Kultstatus erlangte und als begehrenswerte Adresse wie Phoenix aus der Asche stiege.

Das KISS-Prinzip

Posted on October 18th, 2012, October 18th, 2012 in Uncategorized.

Neulich in einem Plattenladen. Ja, Sie haben richtig gelesen: In einem Plattenladen. 20 Meter Plattengestelle, wie in den 70er-Jahren. Und davor Menschen jeden Alters. Eine LP kostet fast 30 Franken, viel mehr als eine CD oder das Herunterladen der gleichen Musik aus dem Internet. Aber die Scheibe ist zum Anfassen hat Gewicht, im wörtlichen Sinn. «180 Gramm Vinyl!» verspricht ein Aufkleber.

Platten boomen. Denn die Menschen sehnen sich nach einer konkret fassbaren Welt. Das haben auch Basler Wahlkämpfer erkannt. Sie wollen mit «neuer Einfachheit» punkten. Doch von «einfach» zu «hohl» ist es oft nur ein kleiner Schritt. (Bild: Daniel Wiener)

Es ist  Musik von früher. Leonhard Cohen, ABBA, Beatles, Jonny Cash. Aber auch Musik von heute. Beispielsweise das Album «21» von Adele, Jahrgang 1988. Alles ist neu produziert, eingeschweisst. Und die Kollektion wächst täglich. Ein 14-jähriger antwortet auf die Frage, weshalb er gleich drei dieser teuren Scheiben kauft: «Es tönt einfach besser.»

Der Drang zum Vinyl ist Ausdruck einer Sehnsucht nach dem Einfachen, Handfesten. Die digitale Kulisse, in der wir leben, überfordert uns mit stets neuen Gadgets, Apps und einem komplizierten Alltag. Der Mensch jedoch, ist analog wie eine LP. Manche verabschieden sich von Facebook. Dafür kaufen sie die neue Zeitschrift «A Simple Life». Das erdig-braun gefasste Heft hat vier Teile, die für sich selbst sprechen: Antiquitäten, traditionelles Wohnen, Geschichte und Museen.

Solche Stimmungen wirken sich auch auf die Wahlen aus. Die Öffentlichkeit will anscheinend simple Botschaften. Zum Beispiel: «Mehr Sicherheit für Basel-Stadt.» Dabei ist es egal, wie ein Kandidat dieses Ziel erreichen will. Hauptsache, er hält sich an das angelsächsischen KISS-Prinzip: «Keep It Simple, Stupid.»

Slogans scheren sich nicht um die Realität. Sie vermitteln Träume. Zum Beispiel: «Für ein Basel mit sicheren Finanzen, sicheren Arbeitsplätzen, sicheren Strassen und sicheren Plätzen.» Ich habe die Webseite des betreffenden, freisinnigen Kandidaten nach Ideen durchforstet, wie er diese Ziele erreichen will. Zu jedem der vier Stichworte gibt es etwa drei Sätze. Diese sind komplett frei von Fakten oder Analysen. Und so allgemein, dass sie jeder Sozialdemokrat unterschreiben könnte.

Ein Slogan ohne konkretes Programm dahinter signalisiert: Ich weiss, wie es geht. Ich nehme Euch die Sorgen ab. Schlau erdachte oder aufwändig erarbeitete Konzepte interessieren sowieso niemanden. Wenn Ihr mich wählt, könnt Ihr Euch wieder getrost Eurer Plattensammlung widmen.

Meine Stimme gebe ich Kandidierenden, die das Volk auch zwischen den Wahlen in Entscheidungen einbeziehen. Weil sie wissen, dass Politik nur mit Argumenten und im Dialog mit den Betroffenen erfolgreich ist. Auf die komplexen Probleme unserer Zeit gibt es keine einfachen Antworten. Sondern nur differenzierte, analoge, mit einem gelegentlichen Rauschen und Kratzen im Hintergrund, wie auf einer LP.

Innovative Werke Basel?

Posted on October 11th, 2012, October 11th, 2012 in Uncategorized.

«Puerto Errado 2» heisst das spanische Solarkraftwerk der Energieversorger aus unserer Region, das letztes Wochenende eingeweiht wurde. «Puerto Errado» bedeutet wörtlich übersetzt «Falscher Hafen». Welches Marketinghirn kam, um Himmelswillen, auf die verrückte Idee, das neue Prunkstück im Portfolio der Stromer so zu nennen?

«Puerto Errado 2» heisst das spanische Solarkraftwerk der Energieversorger aus unserer Region, das letztes Wochenende eingeweiht wurde. Deutlich rentabler wären Investitionen ins Energiesparen. Doch dafür fehlen in Basel die Anreize. Der Kanton könnte das ändern.

Wäre der Name Programm, hätte sich das Konsortium mit Elektra Baselland und IWB gründlich verfahren. Die 50 Millionen Franken, welche nach Südostspanien flossen, sehen die Beteiligten jedoch als Lehrgeld für die Erprobung einer vielversprechenden Innovation. Einen ähnlichen Betrag verschlang vor fünf Jahren die Basler Geothermie-Tiefenbohrung. Diese förderte statt Dampf bloss viele Erkenntnisse zutage, die in dicken Bundesordnern lagern. Die Zeche bezahlten damals hiesige Steuerzahler, Stromkonsumenten und Wagniskapitalgeber. Bei «Puerto Errado 2» sichert der spanische Staat das Risiko mit seiner grosszügigen Einspeisevergütung ab.

Einen fehlerfreien Fortschritt gibt es nicht. In diesem Sinn sind sowohl der Geothermie-Versuch als auch «Puerto Errado 2» allen Widrigkeiten zum Trotz legitime und folgerichtige Meilensteine auf dem Weg in eine erneuerbare Energiezukunft. «Puerto Errado 2» wirft jedoch die Frage auf, ob es nicht bessere Alternativen in Basel gäbe, um das immerhin begrenzte Kapital der IWB vor Ort zu investieren. Der Strom aus dem spanischen Dorf ist nämlich sehr teuer. Teurer als beispielsweise Basler Solarstrom vom Dach.

Noch besser schneiden in vielen Fällen Investitionen in Effizienzgewinne ab, also die Finanzierung von energiesparenden Gebäuden, Geräten, Klimaanlagen, Motoren oder Beleuchtungen. Solche Geschäfte sind oft deutlich rentabler als der Bau von Kraftwerken, welche dieselbe Menge Energie neu generieren. Die Vermeidung teurer Zukäufe wirkt sich dämpfend auf den durchschnittlichen Beschaffungspreis aus. Mit jeder eingesparten Kilowattstunde schrumpft jedoch die IWB-Bilanzsumme. Versuche, Sparanreize zu schaffen, bleiben deshalb äusserst zaghaft. So zaghaft, dass der Kanton hier mit einem revidierten Leistungsauftrag weiterhelfen muss.

Kalifornien hat es vorgemacht. Vereinfacht gesagt, vereinbart der Bundesstaat mit seinen Stromversorgern, dass sie jährlich weniger Energie verkaufen. Wer die vereinbarten Ziele erreicht, darf die Tarife so gestalten, dass trotz sinkendem Umsatz konstante Profite herausschauen. Dies motiviert die Energielieferanten, bei ihren Kunden das Sparen zu fördern. Mit diesem System liessen sich die Ziele der kantonalen Energie- und Klimaschutzpolitik und die Ziele der IWB zur Deckung bringen, und zwar sowohl beim Strom als auch beim Erdgas. Als Innovative Werke Basel würde der lokale Versorger spielend den richtigen Hafen anlaufen. Und am Ende könnten sogar die Strompreise sinken.

Global denken – lokal investieren

Posted on October 4th, 2012, October 4th, 2012 in Uncategorized.

Kommt die Rede auf Staatsausgaben, wird viel zu selten unterschieden zwischen laufenden Kosten und Investitionen. Während die laufenden Kosten in der jährlichen Budgetdebatte hohe Wellen werfen, gibt der Kanton schnell einmal Hunderte von Millionen Franken für neue Kanalisationen oder Schulhäuser aus, ohne dass dies gross auffällt. Noch weniger Tagesgespräch sind die Investitionen der staatlichen Vorsorgeeinrichtungen. Der Zürcher Pensionskassen-Skandal hat uns vor Augen geführt, dass hier in manchen Fällen kaum jemand durchblickt – nicht einmal die Aufsichtsorgane.

Die Pensionskasse Basel-Stadt und die Kantonalbank haben das Potenzial, durch innovative Finanzierungsmodelle anstehende öffentliche Bauvorhaben (wie beispielsweise den Ausbau der S-Bahn) zu beschleunigen. Doch die Politik schläft – wie lange noch?

Es ist die noble und einzige Aufgabe der Pensionskassen, den Pensionierten ein anständiges Leben zu ermöglichen. Das bedeutet einerseits, eine gute Rente zu bezahlen, basierend auf Erträgen der Finanzanlagen. Anderseits sollten die Pensionskassen mit ihren Investitionen dazu beitragen, dass die Pensionierten (und alle anderen) in einer lebenswertem Umwelt leben können. Etwa indem sie regionale Arbeitsplätze finanzieren oder Wohnungsbau. Oder Solarenergie. Was nützt mir eine schöne Rente, wenn mir die Welt, in der ich lebe, um die Ohren fliegt?

Heute kümmern sich höchstens vereinzelte Vorsorgeeinrichtungen um die Auswirkungen ihrer Anlagen auf die Lebensqualität der Pensionierten. Basel stehen riesige Investitionen bevor. Allein der Ersatz oder die Erneuerung des Universitätsspitals am Petersgraben und der Ausbau der Regio S-Bahn kosten je eine Milliarde Franken oder mehr. Damit sind anstehende Investitionen in Bildungsinstitutionen, das neue Naturmuseum oder die Weiterentwicklung des Tramnetzes noch nicht finanziert.

In jedem Fall muss sich der Kanton neu verschulden. Weshalb nicht bei der eigenen Pensionskasse? Die landläufige Antwort lautet: Weil es ein Klumpenrisiko darstellen würde, Geld in dieselbe Wirtschaft zu pumpen, von der die Pensionskasse lebt. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite hält jede Pensionskasse Anleihen in Fremdwährungen und geht damit ein deutlich höheres Risiko ein, bei Kursschwankungen enorm viel Geld zu verlieren.

Die hohe Verschuldung vieler Staaten lässt den Wert von Auslandsinvestitionen ohnehin fragwürdig erscheinen. Fast alle Länder drucken massenhaft Geld. Darauf folgt Inflation wie das Amen in der Kirche. Die beste Absicherung gegen dieses Risiko bilden Investitionen in lokale Realwerte von öffentlichem Interesse. Im Verbund mit der Kantonalbank könnte zum Beispiel die Pensionskasse Basel-Stadt massgeschneiderte innovative Finanzierungslösungen für kantonale Projekte anbieten, die der Staat nicht allein stemmen kann. Dabei müssten die Pensionierten nicht auf Rendite verzichten. Und sie könnten gleichzeitig etwas Gutes für kommende Generationen tun.