Selbstmord einer Zeitung

Posted on December 27th, 2012, December 27th, 2012 in Uncategorized.

BaZ-Chefredaktor Markus Somm wird auch diesen Artikel drucken. Es ist für ihn selbstverständlich, dass er seine Kolumnisten nicht zensuriert. Das ist seine beste Seite. Ab Anfang März will er mich allerdings «gegen einen anderen Linken austauschen». Das ist sein gutes Recht.

Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord.

Die Beendigung der Kolumne «Unsere kleine Stadt» sieht Markus Somm nicht als politischen Akt. Er betont, eine pluralistische Zeitung zu machen, in der auch Leute wie Jean Ziegler zu Wort kommen. Tatsächlich setzte sich Somm sogar persönlich mit dem Genfer Professor auseinander. Aber auf einen Ziegler-Beitrag kommen zehn Artikel, die im Sinne der Erdöllobby die Klimaveränderung leugnen. Und auf jedes Gespräch mit einem kultivierten Mann wie Hans Hollmann erscheinen fünf Artikel mit Christoph Blocher.

Redaktionelle Kommentare orten – mit ganz wenigen Ausnahmen – den Feind links. Fast jede personelle Neubesetzung in der Redaktion verstärkt diese Tendenz. Sogar für die Spekulationen der Basler Kantonalbank waren gemäss BaZ die Sozialdemokraten verantwortlich, die im Bankrat sitzen. Alle anderen Akteure, inklusive der bürgerliche Bankrats-Präsident, erschienen unschuldig.

Weit unter der Gürtellinie waren die Angriffe des Chefredaktors gegen Micheline Calmy-Rey. Nach dem anzüglichen Eva Herzog-Porträt von letzter Woche rollt schon die nächste Abo-Abbestellungswelle an. In einem durchschnittlich linksbürgerlichen Umfeld ist eine solche Zeitung nicht haltbar. Selbst die SVP Basel-Stadt, die vor wenigen Jahren noch einen harten Herrliberger Ton anschlug, hat sich im Stil gemässigt. Nur die BaZ bleibt ein Blocher-Blatt.

Dazu (aber nicht zu Basel) passt der neue Verlagsleiter Rolf Bollmann. In einem Interview mit dem Branchenblatt «persönlich» beschimpfte er besorgte Kritiker des heutigen BaZ-Kurses als «Charakterlumpen und Kollegenschweine, Widerlinge, die ihr Leben nicht im Griff haben». Diese «Nullnummern» würden «mit primitiven Artikeln über Menschen urteilen, die sie nicht kennen und mit denen sie nie gesprochen haben». Treffender hätte Bollmann das zwei Wochen später publizierte BaZ-Portrait über Eva Herzog nicht beschreiben können.

Es ist Christoph Blochers deklariertes Ziel, die «BaZ nackt» weiter zu führen. Sie wird als SVP-Parteiblatt enden. In ihrer ursprünglichen Form begeht die Zeitung vor unseren Augen Selbstmord. Anständige, gut recherchierte Texte erscheinen immer seltener. Inserate zu schalten, wird wegen sinkenden Leserzahlen unattraktiver. Es gibt keine starke Tageszeitung mehr, die als Diskussionsplattform glaubwürdig ist, die Nachrichten zuverlässig und kritische Analysen unbefangen vermittelt. Basel kommt ein Stück Öffentlichkeit abhanden. Das kümmert Blocher nicht. Es ist zu hoffen, dass jemand in diese Lücke springt.

Der Super-Verwaltungsrat

Posted on December 20th, 2012, December 20th, 2012 in Uncategorized.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Aufgabe des Regierens in Basel grundsätzlich verändert. Früher teilten sich sieben Departemente fast alle staatlichen Aufgaben. Inzwischen mutierte der Regierungsrat zum Super-Verwaltungsrat. Er hat immer weniger eigene Angestellte, dafür immer mehr ausgelagerte Institutionen zu überwachen.

Der neue Regierungsrat, wie er in einem guten Monat sein Amt antritt, steht eher einer Holding als einer staatlichen Verwaltung vor. Doch es fehlen ihm die Mittel, um diese Aufgabe professionell zu erfüllen. (Bild: Henry Muchenberger)

Früher standen Projekte, Dienstleistungen und Personalfragen im Mittelpunkt der regierungsrätlichen Verwaltungstätigkeit. Heute tagt im Rathaus der Kopf einer Holding. Die Führung geschieht über Zielvereinbarungen und Leistungsaufträge. Das gilt zum Beispiel für die Universität, das Universitätsspital, die Industriellen Werke Basel oder die BVB.

In den Aufsichtsorganen der Tochtergesellschaften bleiben gewählte Regierungsmitglieder oder Amtsleiter oft in der Minderheit. Die öffentlichen Erwartungen haben mit diesem Wandel jedoch nicht Schritt gehalten. Noch immer wird von Regierungsräten erwartet, dass sie regieren und durchgreifen, wenn etwas schief läuft.

Das zeigt sich deutlich in den jüngsten Diskussionen rund um die Basler Kantonalbank (BKB) oder die Messebaustelle. Die BKB ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft des Kantons Basel-Stadt. Dennoch durfte die Zürcher Filiale spekulativen Geschäften nachgehen. Die Verantwortung tragen ein Verwaltungsrat, der vom Grossen Rat gewählt ist, und die Geschäftsleitung. Die Regierung hat als Exekutive fast keine Befugnisse, obwohl die Bevölkerung von ihr erwartet, den Stadtstaat und damit auch seine Institutionen zu führen.

Ganz anders und doch ähnlich liegt der Fall Messebaustelle. Die Messe-Aktiengesellschaft gehört nur zu einem guten Drittel dem Kanton Basel-Stadt. Im Verwaltungsrat sitzen zwei Regierungsräte. Der Kanton ist Miteigentümer, aber auch Kreditgeber und Aufsichtsbehörde in verschiedenen Dossiers. Auch hier ist für die breite Öffentlichkeit unklar, wer wofür die Verantwortung trägt, obwohl auf dem Papier alles sauber geregelt ist.

Noch komplexer ist die Lage hoch subventionierter Betriebe wie der Theatergenossenschaft. Wie nimmt die Regierung ihre Verantwortung bei einem Theater wahr, das in einer Baisse steckt, aber weiterhin einen grossen Teil der staatlichen Kulturförderung zugute hat? Natürlich hat das Volk diese Strukturen abgesegnet. Das Vertrauen in die staatlichen Organe leidet jedoch, wenn bei Problemen kein gewählter Politiker hin steht und sagt: Wir untersuchen die Ursachen und werden gegebenenfalls auch etwas ändern.

Die Regierung amtet als Super-Verwaltungsrat, doch sind die typischen Kontrollinstrumente einer Holding nur rudimentär vorhanden. Der Verwaltung fehlen oft die Kompetenzen und manchmal auch die Fachleute, um ihre Tochtergesellschaften zu begleiten und bei Bedarf sachgerecht agieren oder reagieren zu können.

Zonenplan ade?

Posted on December 13th, 2012, December 13th, 2012 in Uncategorized.

Rechtssicherheit, Investitionssicherheit, Planungssicherheit – all dies und noch viel mehr leiten wir traditionell vom Zonenplan ab. Der Zonenplan hält Flächen frei, für Verkehrswege, Plätze, Parks und weitere öffentliche Einrichtungen. Diese Funktion gilt es zu bewahren.

Zonenpläne bilden ein starres Korsett und behindern in vielen Fällen eine standortgerechte Bebauung. Die weitgehende Abschaffung der Zonenpläne würde Qualität und Kreativität in die Stadtentwicklung bringen. (Visualisierung: Herzog & de Meuron)

Auch wirtschaftlich gibt der Zonenplan den Ton an: Er bestimmt, welche Nutzungen auf welchen Parzellen möglich sind und legt damit auch den Wert einer Liegenschaft fest. Darauf gründen Pensionskassen ihre Anlagestrategien, planen Private ihre Vorsorge. In der Zone 4 gibt es vier Geschosse, in der Zone 3 deren drei. Und so weiter.

Diese Zeiten sind vorbei. Wir sind daran, den Zonenplan umzudeuten. Er sagt nur mehr, welche Nutzung minimal zulässig ist. Was früher die Ausnahme war, wird auf grösseren Flächen bald zur Regel: Immer öfter haben Grundstückseigentümer eine ganz andere Idee, als der Zonenplan ihnen aufzwingen will. Sie wenden sich an die Behörden und erwirken, dass ihnen die Politik mit einem Bebauungs- oder Quartierplan mehr Volumen zugesteht, als der Zonenplan vorsieht.

Das kann in manchen Fällen sehr sinnvoll sein. Etwa wenn es darum geht, bei einem Tramknotenpunkt eine verdichtete Bebauung mit Wohnhochhäusern zu ermöglichen. Oder Gewerbe mit Wohnen zu mischen, um Pendlerströme einzudämmen. Oder das Einkaufen in der Nähe eines Quartierzentrums zu ermöglichen.

Diese Beispiele häufen sich. Und es fällt auf, dass die Bauträger meist grössere Konsortien, Pensionskassen, Versicherungen oder Aktiengesellschaften sind. Diese können die lange Durststrecke eines politischen Prozesses wirtschaftlich verkraften, um anschliessend die Früchte in Form einer höheren oder wertvolleren Nutzung zu ernten.

Kleineren Hausbesitzern bleibt dieser relativ teure und riskante Weg verschlossen. So entsteht unter den Bauherren eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die eine phantasievolle, kreative Stadtentwicklung behindert. Die Abschaffung der Zonenpläne – mit Ausnahme der Gebiete, die von öffentlichem Interesse sind – würde ein ganz anderes Bewilligungsverfahren ermöglichen. Dieses würde allen Liegenschaftseigentümern Anreize bieten, mehr Qualität zu bauen. Die Politik müsste Gremien bilden, die jeden Fall einzeln prüfen.

Wenn nicht der Zonenplan massgebend wäre, sondern das beste Projekt in der jeweiligen Situation realisiert werden könnte, wäre als Ergebnis keineswegs eine hässlichere Stadt zu erwarten. Im Gegenteil, wir würden bald mehr innovative und inspirierende Gebäude, Strassenzüge und Quartiere erleben. Regierungspräsident Guy Morin hat mit seiner viel beachteten, programmatischen Rede zur Stadtentwicklung die Diskussion lanciert. Nicht nur in der Fläche, nicht nur in der Höhe, sondern auch in ihrer Qualität soll die Stadt sich wandeln dürfen.

Mein T-Shirt und die Messe

Posted on December 6th, 2012, December 6th, 2012 in Uncategorized.

«Made in Bangladesh». Wenn diese drei Wörter auf dem Etikett meines preisgünstigen T-Shirts stehen, dann weiss ich: Das Stück wurde in einer mega-miesen Fabrik genäht. Letzte Woche brannte erneut ein solcher Betrieb nieder. 121 Menschen starben. Der Besitzer hatte aus Kostengründen Brandschutz und Notfallplanung weggespart.

Coop, Manor und Migros können im fernen Asien die Produktion von T-Shirts im Detail nachvollziehen. Die Messe und ihr Generalunternehmer empfinden es als «eine Illusion», die Löhne auf ihrer Basler Baustelle zu kontrollieren. Da stimmt etwas nicht.

«Unser Mitgefühl gilt den Opfern dieses furchtbaren Unglücks sowie deren Familien und Angehörigen», sagte ein Sprecher von C&A. Denn C&A war einer der Hauptauftraggeber der Fabrik. Als Käufer eines T-Shirts für neun oder elf Franken würde ich mich mitschuldig fühlen. Denn mein Schnäppchen wäre das Unglück der anderen.

Deshalb sind Kampagnen wirksam, die auf Blut, Schweiss und Tränen aufmerksam machen, die hinter solchen Klamotten stecken. Die Alternative sind Qualitätslabel. Ob Naturaline von Coop, Respect von Manor oder Eco von Migros – die Detailhändler und auch Max Havelaar schicken ihre Experten vor Ort, in die Betriebe, auf die Felder, um die Herstellung vom Rohstoff bis zur Kollektion minutiös zu überwachen.

Szenenwechsel zum Messeplatz. Auf der Baustelle der silbernen Halle von Herzog & de Meuron entdeckten staatliche Kontrolleure wiederholt Stundenlöhne von 14 Franken. Damit wurden etwa polnische Fremdarbeiter abgespeist. Der Minimallohn liegt bei 26 Franken. Und der ist schon zu tief. Natürlich sind alle entsetzt, aber das System bleibt. Der Auftraggeber MCH Group ist weit weg vom Unter-Unter-Unter-Unterakkordanten, bei dem die Unglücklichen beschäftigt waren.

Am Montag dieser Woche liess die MCH Group verlauten: «Die Bauarbeiten für die Fertigstellung des Neubaus der Messe Basel verlaufen gemäss Zeitplan. Die Weltmesse für Uhren und Schmuck BASELWORLD wird am 25. April 2013 ihre Tore pünktlich und planmässig öffnen können.»

Aber wie? Martin Kull, Geschäftsleiter und Mitinhaber der verantwortlichen HRS Generalunternehmung Frauenfeld, verteidigte sich gleichentags auf «Telebasel». Es sei «eine Illusion», die Gehälter von 1000 Arbeitern auf der Baustelle kontrollieren zu wollen. Eine faule Ausrede angesichts der täglichen Praxis von Kaufhäusern, die komplexe Produktionsprozesse von Kleidern im fernen Asien bis zur letzten Faser nachvollziehen.

Die Verantwortung, Unfälle, Lohndumping und überlange Arbeitszeiten zu unterbinden, liegt bei Kull und dem Auftraggeber MCH Group. An dieser hält die öffentliche Hand 49%. Der Messebau wird nicht in Bangladesch errichtet, sondern vor unseren Augen. Basel wird in den nächsten Jahren einige Grossprojekte in Angriff nehmen. Billig, billiger am billigsten und schnell, schneller am schnellsten dürfen dabei nicht mehr der Massstab sein.