Die Stadt, die Dichte und die Zeit

Posted on January 31st, 2013, January 31st, 2013 in Uncategorized.

Städtevergleiche sind eine ergiebige Quelle für neue Erkenntnisse. Das gilt ganz besonders für den soeben erschienenen «Städtevergleich Mobilität» zwischen Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich. Er zeigt, wie verschiedene Medien schon berichtet haben, dass Basel eine Velostadt ist: 16% aller Wege legen wir mit dem Fahrrad zurück. Auf dem zweiten Platz liegt Winterthur mit 13%. Bronce geht an Bern mit 11%. Den geringsten Anteil Veloverkehr hat St. Gallen (3%). Auf dem zweitletzten Platz ist Zürich (6%).

Der städtischen Dichte verdankt jede Baslerin und jeder Basler im Vergleich zu Zürich eine zusätzliche Ferienwoche pro Jahr. Und das ist nicht die einzige verblüffende Erkenntnis aus der neusten Mobilitäts-Statistik.

Die grossen Unterschiede rufen nach Ursachenforschung. Auch wenn die Topographie eine Rolle spielen mag, ist doch die Politik, in diesem Fall die Fahrrad-Förderung, ein ganz zentraler Faktor, der langfristig seine Wirkung nicht verfehlt. In Basel fuhr schon in den 70er-Jahren die Mehrheit der damals noch bürgerlichen Regierung mit dem Velo ins Büro und anerkannte die zweirädrige Fortbewegungsweise als stadtgerechte Mobilität. Daran orientierten sich in der Folge die Gesetzgebung und die Investitionen.

Tiefere Analysen des Zahlenwerks bringen noch weitere verblüffende Erkenntnisse an den Tag: Zum Beispiel, dass Basels Mobilität insgesamt sogar umweltschonender ist als jene der Vorzeigestadt Kopenhagen. Addiert man nämlich die Wege, die wir zu Fuss gehen (37%), mit Tram und Bus zurücklegen (27%) und auf dem Velosattel fahren (16%), kommen wir auf 80% aller Strecken. In Kopenhagen liegt der umweltschonende Anteil bloss bei 70%. Die Kopenhagener fahren zwar viel mehr Velo als wir (36%). Sie gehen aber nur selten zu Fuss (7%) und steigen viel häufiger ins Auto (30% Anteil im Vergleich zu 18% in Basel).

Weshalb ist das zu Fuss gehen in Basel so populär? Der Städtevergleich gibt auch darauf eine Antwort, die einleuchtet: Die Bevölkerungsdichte in der Stadt Basel ist mit 6800 Einwohnerinnen und Einwohner pro Quadratkilometer um ein Drittel höher als in Zürich, wo 4200 Menschen auf der gleichen Fläche wohnen.

Der Dichteunterschied bringt’s: Eine Dichte Stadt führt zu kürzeren Wegen. Diese können dann auch eher zu Fuss oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das zeigt sich auch im Zeitmass: In Basel sind die Menschen pro Tag 91 Minuten unterwegs, in Zürich 101 Minuten. Wer in Basel lebt, spart im Vergleich mit Zürich täglich 10 Minuten Wegzeit. Wir sind also durchschnittlich schneller am Ziel. Auf die ganze Bevölkerung hochgerechnet, entspricht der Zeitgewinn täglich 2000 (wachen) Tagen mehr Freizeit oder Arbeitszeit – jeder und jede hat die Wahl. So kommen jährlich 730 000 Tage zusammen. Und das entspricht einer zusätzlichen Ferienwoche für alle! Das ist die wahre Produktivität der dichten Stadt.

Arme Reiche

Posted on January 24th, 2013, January 24th, 2013 in Uncategorized.

Ein Gespenst geht um in der Schweiz – das Gespenst der Abzockerinitiative. Diese will dafür sorgen, dass sich die Teppichetage nicht unkontrolliert am Guthaben der eigenen Firma bedienen kann. Wie der Lehrling, der für seinen Fehlgriff in die Bürokasse bestraft wird, soll auch der Manager büssen, wenn er sich unmoralisch bereichert. Die Ehrlichen haben in beiden Fällen nichts zu befürchten.

Wollen Reiche reich bleiben, damit sie Steuern zahlen können oder wollen sie weniger Steuern bezahlen, damit sie reich bleiben? Um die Abzocker-Initiative zu Fall zu bringen, greift Ex-UBS und Credit Suisse-Chef Oswald Grübel (Bild) in die Trickkiste.

Um diese einfache Ausgangslage zu vernebeln, hat ein neuer Diskurs um Reichtum eingesetzt. Dieser zielt darauf ab, uns zu verwirren. Die Abzocker sollen uns plötzlich Leid tun. So bejammerte der ehemalige UBS- und Credit Suisse-Banker Oswald Grübel kürzlich im «Sonntag» den Undank der Regierungen Frankreichs und Englands (unter früherer, linker Führung) gegenüber ihren Reichen. Einkommensmillionäre würden mit Steuern so sehr drangsaliert, dass sie sich zur Auswanderung gezwungen sähen. Siehe Gérard Depardieu, der plötzlich Russe wurde.

Bürgerliche Feuilletons erfanden für solche Menschen mit wenig Bodenhaftung um 1900 den Begriff «vaterlandslose Gesellen». Als solche verleumdet wurden damals allerdings nicht Kapitalisten, sondern internationalistische Kommunisten und Sozialdemokraten. So wechseln die Zeiten.

Zurück zu Oswald Grübel: Anstatt Einkommensmillionäre «mit emotional geprägten Entscheiden zu vertreiben», empfiehlt er zu «versuchen, diese Leute zu halten, damit die Steuern für die Mehrheit weiter tief bleiben». Kurios: Mit «diese Leute» meint er wahrscheinlich sich selbst.

Klartext sprach für ihn dann die Basler Zeitung am letzten Samstag: Bonzen würden, zum Beispiel in TV-Krimiserien wie «Tatort», für alle Verbrechen dieser Welt verantwortlich gemacht. Zwar müsse man, so Leitartikler Markus Somm, «die Reichen und Erfolgreichen nicht lieben». Das erwarte niemand. «Doch sie so zu pflegen, dass sie sich hier wohl fühlen», das sei «eine Frage der praktischen Vernunft».

Grübel schreibt unverblümter, worin diese Vernunft besteht: «In den meisten Staaten» bezahle «die Minderheit der Hochverdiener» die Mehrheit der Steuern, «auch in der Schweiz». Lasst also den Reichen ihr Geld, damit sie mehr Steuern zahlen können. Abzocker zu «pflegen», sichert gemäss dieser Logik die öffentlichen Einnahmen.

Doch bei nächster Gelegenheit stemmen sich die «Hochverdiener» auch wieder gegen das Steuerzahlen, wie das Beispiel Depardieu und viele andere zeigen. Was gilt jetzt? Wollen Reiche reich bleiben, damit sie Steuern zahlen können oder wollen sie weniger Steuern bezahlen, damit sie reich bleiben, um allenfalls mehr Steuern bezahlen zu können? Unsere armen Reichen machen uns ganz konfus, nicht nur Somm und Grübel.

Fusions-Konfusion

Posted on January 17th, 2013, January 17th, 2013 in Uncategorized.

Meine Jugend verbrachte ich in Liestal. Die 60er-Jahre waren weltweit von gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Im mittleren und oberen Baselbiet fand dieser Aufstand seine Ausprägung in der Opposition gegen die Wiedervereinigung beider Basel. Die teilweise militante Kampftruppe «Junges Baselbiet» sah den Landkanton als Hort des Fortschritts und der Freiheit – gegen die verkorkste Stadt. Die Bewegung verstand sich als Erbin des radikaldemokratischen Stuttgarter Revolutionärs und Arbeiterdichters Georg Herwegh («Mann der Arbeit aufgewacht und erkenne Deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.»). Diesem hatte Liestal Mitte des 19. Jahrhunderts Asyl gewährt und später ein Denkmal gesetzt. In dieser Aufbruchsstimmung wurden auch mal BS-Autos, die sich ins «Stedtli» verirrten, mit «Baselland bleibt selbständig»-Klebern am Heck nach Hause geschickt.

Die Baselbieter Regierungsratswahl zum Volksentscheid über die Fusion beider Basel hochzustili-sieren, ist völlig abwegig. Weshalb das so ist, zeigt das Beispiel von Paul Manz (Bild), dem füh-renden Wiedervereinigungs-Gegner der 60er-Jahre.

Die kleine Baselbieter Befreiungsorganisation bildete eine unheilige Allianz mit einer stockkonservativen Bauern- und Gewerbefront, die in den Bezirken Waldenburg und Sissach Stimmung gegen die Wiedervereinigung machte. Die führende Figur dieser ländlich geprägten Gegner war der Pfarrer von Rothenfluh. Geschickt baute der aus dem Züribiet stammende Paul Manz Brücken zwischen den Fraktionen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, um sein Ziel zu erreichen: Baselland bleibt selbständig. Am 5. Dezember 1969 sagten fast 60% der Baselbieter Nein zur neuen Verfassung des vereinigten Kantons Basel. Die Stimmbeteiligung lag bei 75%.

Paul Manz war aber nicht nur ein führender Wiedervereinigungsgegner, sondern als Abgeordneter der BGB (Bauern- Gewerbe und Bürgerpartei, später SVP) auch Mitglied und zeitweise Präsident des Verfassungsrates, der das neue Grundgesetz des vereinigten Kantons Basel aushandelte. Manz arbeitete konstruktiv an einem Projekt mit, das er selbst verwarf. Dies ist jedoch kein Widerspruch. Auch als Gegner der Wiedervereinigung musste er damit rechnen, dass die Verfassung angenommen wird. Er war sich im Klaren, dass am Ende nicht der Verfassungsrat sondern das Volk die Weichen stellt.

Ebenso würde sich Eric Nussbaumer im Falle seiner Wahl in die Baselbieter Regierungsrat mit aller Kraft und Überzeugung für seinen Kanton einsetzen. Je selbstbewusster das Baselbiet in die Fusionsdebatte steigt, umso besser für die ganze Region. Es ist völlig abwegig, die Regierungsratswahl zu einem Plebiszit über die Fusion zu stilisieren. Kurzfristig stehen ganz andere Themen auf der Agenda der Exekutive. Der Landkanton braucht jetzt die fähigsten Leute, um rasch wieder Handlungsspielraum zu gewinnen und die Zukunft nach dem Sparprogramm zu gestalten. Über die Fusion hingegen, das wusste schon Paul Manz, entscheidet das Volk und nicht der Regierungsrat.

Druck nackt

Posted on January 10th, 2013, January 10th, 2013 in Uncategorized.

Die Druckerei der Basler Zeitung soll schliessen. Nicht nur die Tageszeitung wandert ab. Es verabschieden sich weitere Aufträge aus der Region, zum Beispiel die Produktion des «Touring» oder der «Coop Zeitung». Das Projekt der BaZ Eigentümer heisst «BaZ nackt», wie Konzernleiter Rolf Bollmann erneut bestätigte. Zu den Striptease-Regeln gehört, dass der «Druck nackt» jetzt nach Zürich geht.

Der Bund hat über Jahrzehnte die einheimischen Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Basel braucht jetzt ein ähnliches Modell.

Es gibt Dinge, die sind entbehrlich. Andere sind vital. Um die vitalen Dinge hat sich die Gesellschaft zu kümmern. Dazu gehört eine lebendige mediale Öffentlichkeit.

Es ist nicht egal, ob diese Zeilen in Basel oder in Zürich gedruckt werden. Letztlich bestimmen die Produktionsmittel die Inhalte. Wer den Druck beherrscht, kann Druck machen. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert einen wichtigen Teil unserer Bildung, unserer Information und unseres Bewusstseins. Ein ferngesteuertes Bewusstsein wollten die Basler nie. Deshalb setzten sie schon früh auf das Druckgewerbe. Wer einmal 500 Jahre alte Bücher aus Basler Druckereien in Händen hielt, der versteht, welche Macht darin liegt, seine Meinung vervielfältigen zu können. Das Imponiergehabe dieser grossformatigen, schweren, reich verzierten Schwarten, spricht Bände.

Das Zeitalter, das Johannes Froben und Johannes Petri um 1500 mit ihren Druckereien am Totengässlein und in der St. Johanns Vorstadt begründeten, darf nicht so enden. Zwar existiert hierzulande nach wie vor die eine oder andere anständige Druckerei. Aber keine mehr, die ein Massenblatt rasch und rationell fertigen kann.

Die beiden Basel müssen sich einmischen, im öffentlichen Interesse. Der Bund hat über Jahrzehnte die Schweizer Verlage gefördert, indem er die Posttarife der Zeitungen verbilligte. Sein Ziel war die Erhaltung der Medien- und Meinungsvielfalt. Ein ähnliches Modell kann den Zeitungsdruck in der Nordwestschweiz mittelfristig wieder ans Rheinknie zurückholen: Lokal gedruckte Tages- und Wochenzeitungen sollten von den Kantonen Vertriebsunterstützung bekommen. Dies wäre ein eleganter Weg, um das Ziel zu erreichen, ohne sich inhaltlich einzumischen. Vielleicht würde dann auch die TagesWoche nicht mehr aus Wil (SG) importiert.

Ironie des Schicksals: Ausgerechnet Christoph Blocher, die Galionsfigur der Schweizer Neoliberalen, lässt uns keine andere Wahl, als die regionale Druckereiwirtschaft öffentlich zu stützen wie die Landwirtschaft. Wenn nach Banken, Fluggesellschaften und Medien noch die letzte Zeitungsrotation abwandert, muss jemand «Stopp!» rufen. Die Walliser bereuen es noch heute, dass sie nicht einschritten, als Blocher die Wasserkraftwerke der Alusuisse, die er kontrollierte, an die Eléctricité de France verhökerte. Die «Alusuisse nackt» war rückblickend der Anfang vom Ende dieser Industrie.

What the frack?

Posted on January 3rd, 2013, January 3rd, 2013 in Uncategorized.

Verharmlost und verteufelt: Diese zwei Positionen stehen einander gegenüber, wenn es um die Frage des «Fracking» geht. Tausende von Metern unter dem Boden spalten Förderfirmen gashaltige Felsen, die unter hohem Druck ihre fossilen Schätze freigeben.

Das «Fracking» genannte Freipressen von Erdgas aus tief liegenden Gesteinsschichten behindert den Klimaschutz und bindet Mittel, die besser in den Ausbau der erneuerbaren Energie investiert würden. Basel hat die leidvolle Erfahrung künstlicher Erdbeben bereits hinter sich (Foto: Deep Heat Mining in Basel, von Keystone).

Bei einem technisch ähnlichen Vorgang kam es in Basel zu künstlichen Erdbeben. Das «Deep Heat Mining» war damit für einige Zeit, mindestens lokal, erledigt. Die Betreiberfirma musste Dutzende von Millionen Franken abschreiben, noch ehe sie eine Kilowattstunde Wärme gefördert hatte.

Trotz solcher Rückschläge klingt das Versprechen gut, die Schweiz könne sich dank «Fracking» für 60 Jahre auslandunabhängig mit Erdgas versorgen. Immerhin deckt Erdgas hierzulande zehn Prozent des Primärenergiebedarfs.

Die «Fracking»-Diskussion täuscht aber darüber hinweg, dass der Trend in eine ganz andere Richtung geht. Das Ende des Erdgases als Energieträger steht bevor. Vielleicht nicht morgen, aber übermorgen. Denn Erdgas zu verbrennen, heizt das Klima auf. Die Schweiz wird ihren Treibhausgas-Ausstoss bis 2050 um etwa 80% reduzieren müssen. Nur so kann sie gemeinsam mit anderen Industrieländern ermöglichen, dass die Erderwärmung, wie international vereinbart, zwei Grad Celsius nicht übersteigt. Die ärmeren Länder bekommen damit die Möglichkeit, aufzuholen, und zwar auf ein Niveau, das pro Kopf ebenfalls bei 20% der heutigen Schweizer Emission liegt.

Die Frage lautet deshalb nicht: «Fracking» ja oder nein? Viel wichtiger ist der Ausstieg aus dem Erdgas überhaupt. So haben die Industriellen Werke Basel bereits die kontinuierliche Senkung des Gasverbrauchs beschlossen – trotz ihrem überdurchschnittlich engmaschigen Leitungsnetz. Diskussionen über «Fracking» kanalisieren deshalb Energien und Gelder in die falsche Richtung.

Ganz abgesehen davon, dass wir mit der gleichen Begründung eine Schweizer Uranindustrie auf die Beine stellen könnten. Im Wallis, wo zur Zeit alle Ski laufen, liegt unter dem Schnee uranhaltiges Gestein, wie jeder nachmessen kann, der im Sommer mit einem Geigerzähler zum Beispiel nach Haute-Nendaz hinauffährt. In den 60er-Jahren wollte die Schweiz daraus Brennstoff für Atomkraftwerke gewinnen – wegen der Auslandabhängigkeit. Es gab gar ein geheimes Programm für eine Schweizer Atombombe.

Vernünftigerweise liess man die Finger davon: Zu teuer, unsinnig, unökologisch. Wenn die Eidgenossenschaft ihre Energieversorgung unabhängig gestalten will, sollte sie auf Sonne, Wasser, Wind und Biomasse setzen. Davon haben wir genug, wenn wir mit der Energie haushälterisch umgehen. Die «Fracking»-Diskussion wird nicht zufällig jetzt lanciert. Klimaschutz und Atomausstieg fordern Veränderung und verunsichern, während uns einheimische Erdgas-Funde den leckeren Speck des «Weiter wie bisher» durch den Mund ziehen.