Servus

Posted on March 28th, 2013, March 28th, 2013 in Uncategorized.

Die Kolumne «Unsere kleine Stadt» ist wie eine Fernsehserie. Sie kommt in Staffeln. Die erste Staffel mit 160 Kolumnen erschien in den Jahren 2004 bis 2008 im Kulturteil der Basler Zeitung. Heute endet die zweite Staffel von 94 weiteren wöchentlichen Betrachtungen in derselben Rubrik. Eine Fortsetzung auf diesem oder einem anderen Kanal ist durchaus möglich.

Hans-Joachim Kulenkampff (Bild; Cinetext) war als TV-Quizmaster ein Meister seines Fachs. Er wusste auch, sich elegant von seinen Zuschauerinnen und Zuschauern zu verabschieden. Daran erinnert sich der Autor der Kolumne «Unsere kleine Stadt» bei seinem (vorläufigen) Abschied nach 260 Wochenkommentaren, die in zwei Staffeln erschienen sind.

So ein Abschied fällt nicht leicht. Das Echo aus der ganzen Region und darüber hinaus wird mir fehlen. Die letzten beiden Jahre waren zunächst geprägt vom Dialog mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, sei es per Post, per Mail oder im begleitenden Blog www.unserekleinestadt.ch, zu dem Sie bis heute 980 Kommentare beitrugen. Später beschäftigte uns zusätzlich meine Kritik an Kurs und Stil der aktuellen BaZ-Redaktion. Einer Redaktion, notabene, der ich diese publizistische Bühne verdanke. Deshalb: Vielen Dank, liebe BaZ! Und dennoch: Ewig konnte das ja nicht gut gehen.

Als Fernsehserie sollte man sich auch wie am TV verabschieden. Primus der eleganten «Adieus» am Bildschirm ist bis auf den heutigen Tag der Master aller Quizmaster, Hans-Joachim Kulenkampff. Als Vor-Vorläufer von Thomas Gottschalk moderierte er ab 1964 im Deutschen Fernsehen den samstäglichen Strassenfeger «Einer wird gewinnen», kurz EWG. Neben vielen anderen Dingen erfand Kulenkampff auch das gnadenlose Überziehen der Sendezeit. 30 Minuten waren das Minimum. Dramaturgisch war seine Quizsendung, nebenbei gesagt, sehr ähnlich gestrickt wie «The Voice of Switzerland».

Am Ende jeder EWG-Ausgabe, liess sich «Kuli», wie ihn seine Fans nannten, vom Butler Mantel, Schal, Schirm und Hut reichen. Dabei motzte der Diener jeweils gut hörbar über angebliche Patzer und Pleiten der zu Ende gehenden Sendung. Alle wussten, dass Butler-Darsteller Martin Jente der verantwortliche EWG-Produzent war.

So nehme ich heute Mantel, Schal, Schirm und Hut – und schicke mich an, Ihnen leise «Servus» zu sagen. Dieser wundervolle Gruss ist im ganzen Gebiet der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie verbreitet. Also dort, wo ein Teil meiner Familie ursprünglich her stammt. Mit «Servus» verwandt ist in der Schweiz das Wort «Service», das auch in Basel manchmal im Sinne von «bitte, gern geschehen» zu hören ist.

Die lateinische Wurzel von «Servus» weist darauf hin, dass ich Ihr Diener bin, Ihnen zu Diensten stehe. In diesem Fall ist es also Ihr Butler, der den Hut nimmt. Die Aufgabe des Schreibens verstehe ich als Dienst an der Leserin und am Leser: Sie zu informieren und zu unterhalten, zum Lachen zu bringen, manchmal auch zum Weinen oder Nachdenken. Nur so konnte ich Sie verführen, mir Woche für Woche zu folgen, und sogar bis hierher, zur letzten Zeile in dieser Staffel. In diesem Sinne: Danke, auf Wiedersehen und Servus.

Braune Tradition

Posted on March 21st, 2013, March 21st, 2013 in Uncategorized.

Die so genannte Ecopop-Initiative gibt sich ökologisch, löst aber kein einziges Umweltproblem. Mit Einwanderungsbeschränkungen will sie Engpässe auf dem Wohnungsmarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln lindern, erreicht aber das Gegenteil. Ganz abgesehen vom Flurschaden, den das Begehren in der Wirtschaft, speziell auch in der Region Basel, anrichten würde.

Um die Umwelt echt zu entlasten, müsste die Ecopop-Initiative den Absatz der Antibabypille in der Schweiz und speziell in Wollerau (Bild) fördern, wo die fettesten Autos zirkulieren und überdimensionierte Eigentumswohnungen die Landschaft verschandeln. (Bild Keystone)

Doch der Reihe nach: Die Initiative will die jährliche Zuwanderung in die Schweiz von heute 80 000 auf 16 000 Personen senken. Davon wären vor allem hoch qualifizierte Ausländerinnen und Ausländer betroffen. Andere Länder haben hunderttausende von Euro oder Dollar in die Ausbildung dieser Menschen gesteckt. Wir sparen uns diese Investition und schonen damit unsere Kassen.

Mit ihren Steuern finanzieren die wohlhabenden Migranten unsere Infrastruktur kräftig mit. Ohne ihren Zustupf wären manche Ausbauten von Bahnlinien, erneuerbaren Energien oder Museen gefährdet.

Aber belasten die «Expats» nicht unser Ökosystem über Gebühr? Die meisten grossen Umweltprobleme, etwa die Klimaerwärmung oder der Verlust der Artenvielfalt, sind heute nicht lokal, sondern global. Die Schweizer Siedlungsstruktur, unser Energiesystem oder auch die Landwirtschaft sind zwar nicht nachhaltig, aber sie beanspruchen deutlich weniger Ressourcen pro Kopf als der Durchschnitt dieser Systeme in anderen hochindustrialisierten Ländern. Wandert ein Mensch zum Beispiel aus den USA ein, reduziert sich im Schweizer Umfeld automatisch sein Energieverbrauch, etwa weil es mehr öffentliche Verkehrsmittel gibt. Weltweit gesehen – und darauf kommt es an – ist diese Einwanderung also positiv für die Umwelt.

Die Ecopop-Initiative verleugnet diese Zusammenhänge. Dafür verlangt sie, dass wir zehn Prozent unserer Entwicklungshilfe in die Förderung freiwilliger Geburtenregelung im Ausland stecken. Hier bewegt sich das Volksbegehren endgültig im Fahrwasser der braunen Tradition, welche unterscheidet zwischen höher- und minderwertigem Leben.

Denn wo betreibt die Schweiz Entwicklungshilfe? Sicher nicht in Deutschland oder Kanada, sondern ausschliesslich in den ärmsten Ländern. Dort leben jedoch die Menschen mit dem kleinsten ökologischen Fussabdruck. Zehn Inder verbrauchen durchschnittlich gleich viel Energie wie ein einziger Westeuropäer.

Um die Umwelt echt zu entlasten, müsste die Initiative verlangen, dass die Schweiz den Absatz der Antibabypille zum Beispiel in England, Nordamerika oder Australien fördert. Oder weshalb nicht gleich in der Schweiz und hier speziell in Wollerau, wo die fettesten Autos zirkulieren und überdimensionierte Eigentumswohnungen die Landschaft verschandeln? Mit ihrem vorgeschlagenen Eingriff bei den Ärmsten der Welt entlarvt die Initiative ihren wahren Charakter.

Theater für Basel

Posted on March 14th, 2013, March 14th, 2013 in Uncategorized.

Basel sucht eine neue Theaterdirektorin oder einen neuen Direktor. Zwar liegt der Entscheid hauptsächlich bei der Theatergenossenschaft, doch fiebert ihm eine breite Öffentlichkeit entgegen. Weshalb? Im besten Fall – und diesen wünschen wir uns alle – prägt die Theaterdirektion den politischen und kulturellen Diskurs und damit die Zukunft Basels wesentlich mit. Dem Dreispartenhaus wohnt das Potenzial inne, uns in ethischen Fragen zu beraten und ästhetische Massstäbe zu setzen.

Nach Jahrzehnten der Importe brauchen wir heute eine neue Theaterdirektion aus Basel oder eine solche, die Basel sehr gut kennt. Denn die Aufgabe des Dreispartenhauses geht weit über Erbauung hinaus. (Bild: Margrit Müller)

Das Theater ist zwar kein Parlament, das mit Ja oder Nein über konkrete Vorlagen abstimmt. Es ist auch kein Medium, das informiert wie eine Zeitung oder das Radio. Aber Aufführungen und Diskussionen, die dort stattfinden, künstlerische Leistungen, die wir bewundern und geniessen oder der Ärger über eine verpfuschte Inszenierung beeinflussen unsere Werte, unseren Blick auf die Welt, mithin unser Selbstbild und somit langfristig auch unser Denken und Handeln.

Am Ende des Tages beeinflusst das Theater – sofern es Erfolg hat – persönliche und politische Entscheide. Wir wählen eine weltoffenere oder eine konservativere Regierung, wir stellen uns für oder gegen den Bau eines neuen Stadtteils, wir unterstützen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder lehnen es ab, wir votieren für oder gegen die Ecopop-Initiative.

Basel befindet sich an einem Wendepunkt. Das trifft nicht nur auf die Bevölkerungszahl zu, die seit einigen Jahren wieder wächst und dadurch die räumliche Stadtentwicklung prägt. Es steht auch ein demographischer Wandel bevor: In wenigen Jahren werden wir vom durchschnittlich ältesten Kanton zu einem der jüngsten Stände mutieren. Speziell der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ausbildung sowie der Kinder wird markant steigen. Die weitere Entwicklung der «Life Science»-Branche und damit verbundener Forschungsaktivitäten wird unsere wirtschaftliche, aber auch die soziale Realität umpflügen. Basel wird noch internationaler und entwickelt sich gleichzeitig in eine neue Massstäblichkeit hinein. Was viele Menschen als Chance sehen, macht anderen Angst.

Zu kurz greift in dieser Situation ein Theater, das bloss schöngeistig unterhält oder auf Aktualität reagiert. Die neue Direktion muss vielmehr selbst Themen aufspüren und diese aktiv (und natürlich mit künstlerischen Mitteln professionell) ins Gespräch bringen. Bei aller erwünschten Weltläufigkeit, kommt es in dieser Wendezeit Basels auf das Verstehen und Interpretieren der hiesigen Realität mit intelligent eingesetzten theatralischen Mitteln an. Nach Jahrzehnten der Importe brauchen wir deshalb heute eine neue Theaterdirektion aus Basel oder eine solche, die Basel und die hiesige Gesellschaft von innen wahrnimmt und sehr gut kennt.

Parkieren mit Mehrwert

Posted on March 7th, 2013, March 7th, 2013 in Uncategorized.

Es war die Zeit der Utopien. Der heutige Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements, Hans-Peter Wessels, engagierte sich für die kantonale Initiative «Basel autofrei». Diese wollte die Stadt nach dem Vorbild von Venedig in ein Paradies für Fussgänger, Fahrräder und öffentliche Transportmittel verwandeln. Ausnahmen waren nur für Versorgungsfahrten und Durchgangsstrassen vorgesehen.

Wer im Restaurant Kunsthalle speist, finanziert den darüber liegenden Kulturbetrieb mit. Beim Kunstmuseum könnte ein unterirdisches Parkhaus entstehen, das die in den überirdischen Stockwerken tätige Kreativwirtschaft fördert und die Umgebung aufwertet. (Foto: Henry Muchenberger)

Verständnis für das Anliegen signalisierte sogar die damals bürgerliche Regierung, als sie in einer Medienmitteilung schrieb: «Der Individualverkehr in Basel (…) hat ein Ausmass erreicht, dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt teilweise untragbar geworden sind.» Das Stimmvolk schickte das Volksbegehren am 9. Juni 1996 mit 70 Prozent Nein bachab, wobei einzelne besonders belastete Quartiere zustimmten.

Fast 20 Jahre später sind die Träume kleiner und realistischer. Dank des Einsatzes von Hans-Peter Wessels wird «Basel autofrei» im Zentrum umgesetzt – und dies mit Zustimmung von Gewerbe und Anwohnern. Im Gegenzug befürwortet der Regierungsrat ein neues Parkhaus am Rand der Altstadt. Auch ich habe diese Entwicklung mitgemacht und sehe den aktuellen politischen Verkehrskompromiss als optimale Lösung.

Nach 20 Jahren Planung will der Regierungsrat das so genannte «KuMu-Parking» unter dem St. Alban Graben möglichst rasch realisieren. Das ist verständlich. Ich fände es allerdings schade, wenn wir nicht alle Optionen genau untersucht hätten, bevor wir eine Situation für 100 Jahre zementieren.

Die Swisscanto-Anlagestiftung besitzt ein Grundstück direkt neben dem neuen Kunstmuseum. Hier könnte ein öffentliches, unterirdisches Parkhaus mit gleich vielen Parkplätzen wie im «KuMu-Parking» realisiert werden. Ich habe den Auftrag angenommen, das Swisscanto-Projekt als Alternative zum «KuMu-Parking» weiter zu entwickeln, weil es die Chance bietet, oberirdisch ein Haus für die Kreativwirtschaft mit Wohnungen an bester Lage zu realisieren.

Das Swisscanto-Parkhaus kann in 20 Monaten fast ohne Verkehrsbehinderung gebaut werden. Das «KuMu-Parking» braucht etwa doppelt so lang, weil das Tram und zahlreiche Leitungen unterfangen werden müssen. Deshalb spart das Swisscanto-Parkhaus im Vergleich zum «KuMu-Parking» etwa sechs bis zehn Millionen Franken. Diese Mittel will die Kantonalbanken-Tochter in kulturelle Einrichtungen in den Obergeschossen desselben Hauses investieren ­– zum Beispiel über eine öffentliche Stiftung. Die Situation wäre ähnlich wie bei der Kunsthalle, wo das Restaurant im Parterre den Kulturbetrieb darüber mit finanziert.

Erst wenn das Vorhaben von Swisscanto auf dem gleichen Stand ist wie die Alternative, sollte ein Entscheid unter Berücksichtigung aller Informationen gefällt werden. Die Planungszeit dafür liegt bei wenigen Monaten.