Die SVP führt uns in die EU

Posted on February 14th, 2013, February 14th, 2013 in Uncategorized.

Basel-Stadt ist wohl von allen Deutschschweizer Ständen der EU-freundlichste Kanton. Theoretisch müssten wir uns deshalb freuen, dass die SVP unser politisches System in einem entscheidenden Punkt den meisten europäischen Staaten anpassen will: Sie möchte die Volkswahl der Regierung einführen. Kommt die Rechtspartei Ende Jahr mit ihrem Volksbegehren durch, würden Blochers Jünger das ausgeklügelte Gleichgewicht zwischen Regionen und Parteien aus den Angeln heben, das bisher die Bundesratswahlen prägte. Ohne äusseren Zwang würden wir mit EU-Sitten und Gebräuchen gleichgeschaltet.

Die SVP will die Volkswahl der Regierung. Und sie unterwirft ihre Fraktionsmitglieder der Parteidoktrin. Ganz nach dem Vorbild vieler Europäischer Regierungssysteme. Ist die SVP heimlich auf EU-Kurs?

Nationale Wahlkampagnen im Stile von Deutschland oder Frankreich wären die Folge – mit allen Personifizierungen, demagogischen Akzenten und unterhaltsamen TV-Debatten. Ein weiterer Effekt wäre die zusätzliche Polarisierung von Politik und Parteienlandschaft. Rot-grün-christliche Koalitionen würden sich abwechseln mit konservativ-bürgerlich-grünliberalen Regierungen. Faktisch hätten wir ein Zweiparteiensystem mit Beigemüse.

Die SVP-Initiative schlägt die Wahl des Bundesrates nach dem Majorzsystem vor, wobei je ein Sitz für die Romandie und das Tessin reserviert wären. Die Chancen der Nordwestschweiz, in einer solchen Regierung vertreten zu sein, würden gegenüber heute nochmals deutlich geschmälert. Denn die Nominationen der fünf Deutschschweizer Sitze würden sich auf Persönlichkeiten konzentrieren, die aus den bevölkerungsreichen Kantonen stammen, um deren Wahlchancen zu erhöhen.

Ganz entgegen der aktuellen SVP-Doktrin würde die Volkswahl des Bundesrates die Zentralmacht stärken und damit den Föderalismus in Frage stellen. Auch hier käme es zu einer Annäherung an das System, das in den meisten EU-Ländern gilt.

Um bis zu einem allfälligen Erfolg ihres Volksbegehrens nichts anbrennen zu lassen, hat die SVP intern bereits vorgesorgt. Sie bestimmt nämlich seit 2008 in ihren Parteistatuten, dass ein gewählter, aber nicht offiziell von der SVP-Fraktion nominierter SVP-Bundesrat bei einer Wahlannahme automatisch aus der Partei ausgeschlossen wird. Diese Bestimmung degradiert die Vereinigte Bundesversammlung zum erpressbaren Kopfnicker-Gremium. Wenn der Rat nicht den offiziellen SVP-Kandidaten wählt, ist halt kein SVP-Vertreter mehr im Bundesrat.

Diese Zwangsjacke verstösst gegen das Instruktionsverbot der Bundesverfassung. Auch hier führt uns die SVP in europäische Gefilde. Im Deutschen Bundestag beispielsweise, können Abgeordnete von ihren Fraktionsleitungen verpflichtet werden, nach der Parteidoktrin zu stimmen, auch wenn sie persönlich anderer Meinung sind. Das ist dort Teil des Systems. Was die SVP tun würde, wenn nicht das Parlament, sondern das Volk den Falschen aus ihren Reihen wählen würde, ist bis dato unbekannt.

Dieser Beitrag reflektiert die Meinung der Autorin / des Autors und nicht zwingend diejenige der Redaktion.

2 Responses to 'Die SVP führt uns in die EU'

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  1. Anh Toan said,

    February 14th, 2013, 8:49

    In der Schweiz spielt das Volk die Rolle der Opposition (Referendum): Es regieren grosse Koalitionen, parlamentarische Opposition gibt es kaum. Wer die Regiserung wählt, kann nun mal schlecht gleichzeitig Opposition sein.

    Nicht erschliesst sich mir, warum eine Volkswahl des Bundesrates die Zentralmacht stärkt und den Föderalismus in Frage stellt: Die Amis z.B. lassen den Präsi auch vom Volk wären und sind dennoch ziemlich föderalistisch. Noch weniger erkenne ich, inwieferen die Regelung der SVP Statuten, ein gewählter, aber nicht offiziell von der SVP-Fraktion nominierter SVP-Bundesrat bei einer Wahlannahme automatisch aus der Partei auszuschliessen, gegen das Instruktionsverbot der Bundesverfassung verstösst.

    Ach ja, Regierungs- und Parlamentsmitglieder sind weder “Vetreter” von Parteien, noch Kantonen noch Regionen (Nordwestschweiz), sie sind Repräsentanten der Kantone/Parteien/Bevölkerungsgruppen und Vertreter der Eidgenossenschaft: Dies sagt das Instruktionsverbot der BV.

  2. Martin Cesna said,

    February 15th, 2013, 0:29

    Ein Land ist am Ende ähnlich einem Auto: Es muss fahren, sonst nichts! Die Marke, äh hier die Partei ist am Ende nur Stil-Ausdruck. Die EU nötigt uns gerade einmal eine ordentliche Lebensmittelkontrolle auf und die USA wollen wissen, ob unsere Banken nicht doch mafiös organisiert sind. Dazu sind sie sogar bereit, vorbeizukommen. Ausländerdiskriminierung? Geht nur noch kurze Zeit, dann ist da auch Schluss. Selbst die Steuerbevorteilungen und Pauschalsteuern scheinen per EU zu verschwinden, insoweit wir nicht selber kapieren, dass das Land sich damit nur selber schädigt. Die SVP zappelt in diesem Geflecht nur noch ein bischen, wird vielleicht noch manche Unisnn-Initiative durchdrücken, die dann leider aufgrund von übergeordneten Abkommen nicht mehr durchführbar sein werden. Auch dürfte die Wirtschaft Herrn Blocher sehr schnell klar machen, was ihr nicht passt. Die aktuellen SVP-Parolen dienen wohl zum wesentlichen so tatsächlich der Ruhigstellung des “niederen Volkes”. Der Endumbruch könnte dann so schnell gehen wie seinerzeit bei Napoleon, der sich dafür eigentlich den Berner Staatsschatz redlich verdient hatte.
    Ob die heutige Schweiz es ohne einen “Napoleon” schafft, sich selber zu erneuern, oder ist wieder jemand von aussen nötig?